Full text: Leitfaden für den Geschichtsunterricht in Mittel- und Mädchenschulen

358 IX. Das neue Deutschland. 
Fürsten zusammentrafen, und der Mann, dessen Worten zwei Jahr- 
zehnte hindurch die halbe Welt gelauscht, sich beugen mußte vor dem 
Herrscher, den er hatte demütigen wollen. „Welch eine Wendung 
durch Gottes Führung!" Nach stattgefundener Begegnung besuchte 
König Wilhelm auf einem fünfstündigen Ritte seine braven Krieger, 
die ihn mit nicht endenwollendem Jubel begrüßten. Napoleon aber 
begab sich nach dem Schlosse Wilhelmshöhe bei Kassel, das ihm 
zum Aufenthalt angewiesen war. 
Wie sehr das ganze französische Volk die Mitschuld an dem 
mutwillig heraufbeschworenen Kriege trug, stellte sich bald heraus. 
Am 4. September erklärte man den gefangenen Kaiser des Thrones 
verlustig und Frankreich zur Republik, und errichtete eine „Regierung 
der nationalen Verteidigung", an deren Spitze General Trochn 
und die Abgeordneten Jules Favre und Gambetta standen. Das 
erste Wort derselben war: „Krieg bis aufs Messer!" Alle Waffen- 
fähigen Mannschaften, Mobilgarden, Nationalgarden und Franetirenrs 
(Freischützen), wurden aufgeboten, um neue Heere ins Feld zu stellen. 
Mittlerweile zogen die Sieger ohne Aufenthalt bis vor Paris, 
dessen Einschließung sofort ins Werk gesetzt wurde (19. September). 
Ehe wir jedoch die dortigen Ereignisse weiter verfolgen, wenden 
wir uns nach Osten, wo die Deutschen um den Besitz zweier Städte 
rangen, welche französische Raubsucht einst vom Reiche los- 
gerissen hatte. 
Gleich nach der Schlacht bei Wörth rückte ein preußisch-badisches 
Korps unter dem General von Werder vor Straßburg. Als eine 
dreitägige Beschießung nichts fruchtete, ging man zum regel¬ 
mäßigen Angriff über. Nach vierwöchentlicher Arbeit waren die 
Laufgräben vollendet, die Wälle bereits stark beschädigt, zwei Außen- 
werke genommen und alle Vorbereitungen zum Sturme getroffen. 
Da wehte am 27. September vom Münsterturme die weiße Fahne, 
28. 6ept] und am 28. September erfolgte die Übergabe der Stadt. 
Länger verzögerte sich der Fall von Metz. Die Stadt ist von 
einem Gürtel starker Forts umgeben, innerhalb welcher das Heer 
Bazaines Stellung genommen. An eine regelrechte Belagerung 
war unter diesen Umständen kaum zu denken; indes erschien sie 
auch überflüssig. Zwar waren in der Festung bedeutende Vorräte 
aufgehäuft, aber für die Verpflegung eines ganzen Heeres reichten 
sie denn doch nicht aus. So konnten die Deutschen ruhig abwarten, 
bis der Hunger den Feind znr Ergebung zwänge. Bis dahin be- 
gnügten sie sich, Metz vollständig einzuschließen und jeden Durch- 
bruchsversuch Bazaines zu verhindern. Schon am 1. September 
machte der Marschall einen derartigen Versuch bei Noisseville; 
doch der überaus heftige Angriff scheiterte an der Tapferkeit der
	        
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