§ 72. England im 17. Jahrhundert.
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Ludwig XIV. behielt Straßburg und die Franche-Comte, verzichtete aber
gegen eine Geldentschädigung an den Herzog von Orleans, den Gemahl
der Elisabeth Charlotte, auf die Pfalz und gab in scheinbarer Großmut
auch andere Annexionen wieder ihren rechtmäßigen Herren zurück (Zwei-
brücken an den Schwedenkönig, Luxemburg au Spanien, Lothringen
an Herzog Leopold, den Sohn des Herzogs Karl). In Wirklichkeit
ging er darauf aus, sich die Freundschaft der Mächte zu erwerben, um
mit ihrer Zustimmung das Erbe des spanischen Königsthrones davon-
zutragen, dessen Erledigung in naher Aussicht stand.
Elisabeth Charlotte war von ihrem Vater Karl Ludwig aus politischen Rück-
sichten mit Ludwigs XIV. Bruder, dem Herzog Philipp von Orleans, vermählt
worden (1671); sie hat sich aber am französischen Hofe, wo sie bis 1722 lebte,
niemals heimisch gefühlt, wie sie selber in ihren zahlreichen Briefen klagt. In-
mitten des gleißenden Glanzes, der sie umgab, bewahrte sie sich ihre ehrliche
deutsche Art und eine rührende Liebe zur rheinischen Heimat, welche Ludwig,
in vorgeblicher Vertretung ihrer Erbrechte, so unmenschlich verwüsten ließ. Sie
war als Gattin nicht glücklich und als Mutter mußte sie hochbetagt noch die
Mißregierung ihres Sohnes Philipp mit ansehen, der nach Ludwigs XIV. Tode
für den minderjährigen Ludwig XV. die „Regentschaft" führte (vgl. S. 23, 4).
§ 72.
England im 17. Jahrhundert.
1. Wegierung der ersten Stuarts 1603—1649. Jakob I. (1603—1625),
der Sohn der Maria Stuart, und dessen Sohn Karl I. (1625—1649) haben
durch ihre selbstherrische Regierung die Unzufriedenheit des Parlaments,
durch ihre Unduldsamkeit gegen Andersgläubige Empörungen der Katholiken
wie auch der Puritaner und der Jndependenten hervorgerufen. In solchen
Kämpfen geriet Karl I. 1647 in die Gewalt seines Gegners Oliver Crom-
well, des Führers des Jndependentenheeres. Vor das Gericht der Wider-
sacher gestellt, wurde er als „Thrann und Feind des Gemeinwesens" zum
Tode verurteilt und enthauptet (30. Januar 1649). Die europäischen Nach-
barstaaten, nach dem eben beendeten Dreißigjährigen Kriege selber ermüdet
und erschöpft, verhielten sich teilnahmslos.
2. Die Wepubtik unter g)liver ßromwess 1649—1658. Gestützt auf
die militärische Macht, behauptete Cromwell unter dem Titel eines „Lord-
Protektors der Republik" bis ins zehnte Jahr die angemaßte Gewalt. Seine
Herrschaft war durch Aufstände und Verschwörungen unaufhörlich bedroht.
Nach Cromwells Tode (1658) folgte sein Sohn Richard, der aber im Ge¬
fühle eigener Schwäche schon nach achtmonatiger Regierung die Protektor-
würde niederlegte (1659).