fullscreen: Norddeutsches Lesebuch

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mal Zeit, meinen guten Morgen!“ anzubringen, sondern rief mir im barschen 
Tone zu: „Geb' Er mir den Kirchenschlüsfel, Schulmeister!“ Ich erschrak; denn 
obgleich das bischen Kirchenvermögen und der vergoldete Kelch mit der Hostien— 
schachtel in Sicherheit gebracht waren, so befand sich doch noch eine ziemlich reiche 
Altarbekleidung mit Tressen in der Kirche. Ich legte mich auf Bitten und Vor— 
stellungen; allein der alte Kriegsmann wollte davon nichts wissen. Er sah mit 
einer so ganz eigenen Manier bald auf mich bald auf seinen Säbelgriff, daß ich, 
um Unglück zu verhüten, voranging, um die Kirchthür zu öffnen. Meine Frau, 
die hinter der Hausthür gehorcht hatte, und die vor der Gefahr immer verzagter, 
in der Gefahr aber immer eutschlosseler war, als ich, kam aus Besorgniß um 
mich aus freien Stücken hinter uns her. 
Der Husar drängte sich in der Halle hastig voran, ging, ohne sich umzu— 
sehen, an der Sakristei und dem Altar vorüber und schritt, so schnell es sein 
Alter erlaubte, klirr! klirr! die Chortreppe hinauf. Hier setzte er sich, Athem 
schöpfend, auf eine Bank und rief mir gebieterisch zu: „Schulmeister, mach' Er 
die Orgel auf und geb' Er mir ein Gesangbuch!“ — Ich that augenblicklich, 
was er verlangte; meine Frau mußte die Bälge ziehen, der Husar hatle ein Lied 
aufgeschlagen und sagte nun in einem weit mildern Tone: „Wie schön leuchtet 
der Morgenstern! Spiel' Er das, lieber Schulmeister, aber so recht fein und 
ordentlich, Er versteht mich wohl!“ — 
Ich spielte mit Herzenslust, und nach geendetem Vorspiel fiel der Husar 
mit seiner tiefen Baßstimme ein; meine Frau hinter der Orgel und ich thaten 
ein Gleiches Mein Herz wurde so muthig, daß ich mich oft nach meinem Zu— 
hörer umschaute und ihm ganz dreist in das Gesicht sah. Er sang mit großer 
Andacht, hatte die Hände gefaltet, und die hellen Thränen fielen über den eis— 
grauen Knebelbart auf das Buch hinab. Jetzt war das Lied beendet; ich ging 
auf ihn zu; er schüttelte mir recht treuherzig die Hand und sprach: „Großen 
Dank, Herr Kantor! Wo ist der Gotteskasten?“ 
Mein früherer Argwohn, daß es auf Plünderung abgesehen sei, war nun 
gänzlich verschwunden. Ich holte unsere Armenbüchse, und der Husar warf ein 
Achtgroschenstück hinein. „Wir beide aber, wir theilen den Rest, Herr Schul— 
meister,“ sagte er dann, indem er noch zwei Achtgroschenstücke aus der Tasche 
zog, „da nehm' Er das eine für seine Mühe!“ Ich schlug es aus; aber er war 
so ungestüm, daß ich es schlechterdings nehmen mußte. „Nehm' Er, nehm' Er,“ 
sprach er, „es klebt kein Blut daran!“ 
Jetzt verließ er das Gotteshaus, und wir begleiteten ihn. Sowohl meine 
Frau als ich waren unglaublich bewegt; ich konnte mich aber nicht enthalten, 
unsern wunderbaren Gast auf dem Kirchhofe zu fragen, wie ihm denn der Gedanke 
gekommen sei, hier seine Morgenandacht zu halten. 
„Das will ich euch wohl sagen, ihr lieben Leute,“ antwortete er, indem 
er uns beide bei der Hand nahm. „Gestern Abend sollte ein verlorener Posten 
ausgestellt werden, um mitten unter den herumschweifenden Patrouillen den Feind 
auf einem gewissen Punkte zu beobachten. Jeder von uns wußte, was die Sache 
auf sich halte; — wir sind seit einigen Wochen brav daran gewesen. — Unser 
Rittmeister fragte nach Freiwilligen; niemand bezeigte Lust. Endlich ritt ich fort, 
und meine drei Jungens konnten ja wohl den alten Vater nicht allein lassen 
Er braucht es nicht zu wissen, Herr Schulmeister, wie wir es anfingen; — genug, 
wir schlichen uns durch und hielten die ganze Nacht auf einer buschigen Anhöhe.
	        
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