Full text: Bilder aus der Mecklenburgischen Geschichte

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Von einem solchen Vater läßt es sich nicht anders erwarten, als daß 
er persönlich den regsten Anteil an der Erziehung und Geistesbildung des 
Sohnes nimmt und auf jede Weise für das Wohl des Sohnes, damit aber 
zugleich des Landes Sorge trägt, das er selbst mit jeder Faser seines 
Herzens liebt. Diese väterliche Fürsorge, die zugleich echt und recht landes¬ 
väterlich ist, zeigt sich in dem ganzen Jugeudlebeu Paul Friedrichs. Der 
Vater wußte, welchen Wert für Mecklenburg die Familienverbindung mit 
bem russischen Kaiserhause hatte und daß allein dieser Verbindung die 
Erhaltung Mecklenburgs als selbständigen Staates gegenüber der Länder- 
sucht Napoleons im I. 1807 verdankt wurde. Deshalb suchte Friedrich 
Ludwig seinen Sohn, in welchem die Verwandtschaft mit dem russischen 
Hause verkörpert war, bei jeder sich bietenden Gelegenheit dem Kaiser 
Alexander und seiner Mutter, der Kaiserinwitwe Marie, persönlich nahe 
zu bringen. Er nahm den Knaben mit, als er im Auftrage feines Vaters 
zu dem Fürstenkongreß in Erfurt reiste. Der herzliche Empfang, den der 
junge Prinz bei seinem kaiserlichen Oheim fand, konnte den Vater immer- 
hin entschädigen für den Übermut Napoleons, der selbst gegen den Knaben 
in der Anrede: „approchez donc, petit conscrit" zu Tage trat. Besuche 
am Weimarischen Hofe hatten den Zweck, den Prinzen mit seiner Gro߬ 
mutter, wenn sie ihre dortige Tochter, die Erbgroßherzogin Maria Pau- 
lowua, besuchte, zusammenzuführen. Von Genf aus, wo sich seit Ende 
1814 der Prinz zu Sprachstudien aufhielt und wo er auch konfirmiert 
wurde, machte er im Oktober 1815 auf Befehl seines Vaters in Dijon 
dem Kaiser Alexander und dem gleichzeitig anwesenden Kaiser Franz seine 
Aufwartung. Aus der fernen Heimat Hatte der Vater, wie es feine Briefe 
an den Gouverneur des Prinzen beweisen, bis ins kleinste hinein seine Wei- 
suugeu für diesen Besuch gegeben. 
Des Vaters Wille und des Vaters Hand ist auch in der wissen- 
schaftlichen Ausbildung des Sohnes überall zu erkennen. Neben Geschichte, 
Geographie und Mathematik werden die beiden modernen Weltsprachen, 
Französisch und Englisch, bis zum fertigen Gebrauch eifrig betrieben, 
(diesem Zwecke diente der Aufenthalt in Genf und vorübergehend in 
Lausanne), aber auch mit besonderem Eifer das Lateinische, und zwar auf 
des Vaters ausdrücklichen Befehl. So war Prinz Paul wohl vorbereitet 
zum akademischen Studium, welches er, wegen der Nähe der Weimarischen 
Verwandten, in Jena begann und darnach in Rostock fortsetzte. Der jähe 
Tod des Vaters machte diesen Studien ein frühes Ende unb gab dem Prinzen, 
der für volljährig erklärt wurde, die erhöhte Stellung des Erbgroßherzogs. 
Des Vaters Wunsch unb Werk war auch bie Einführung bes Prinzen 
in bie preußische Königsfamilie, bie zu einem Herzensbunbe bes Sohnes 
mit ber zweiten Tochter Friebrich Wilhelms III. unb ber gefeierten Kö¬ 
nigin Luise, der anmutigen, geistvollen und witzigen Prinzessin Alexandrine 
(geb. am 23. Februar 1803), führte. Anfang Februar 1819 wurden, 
unter Zustimmung des Großherzogs, von den Vätern bie beiben Liebenben 
einanber versprochen. Die öffentliche Verlobung fanb freilich erst nach bem 
Tode Friedrich Ludwigs im September 1820 statt. Gewissenhaft würbe 
die vierjährige Frist, die Friedrich Ludwig dem Sohne bis zur Vermäh- 
lung gesetzt hatte, von diesem beobachtet und zu seiner weiteren Ausbildung
	        
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