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ummauerten Klöster mit ihren geräumigen Höfen und Gärten in die
übrige Stadt eingebettet. Sie und die prächtigen Kirchen legten von
der Frömmigkeit und dem Opfersinn der Bürger beredtes Zeugnis ab.
Der regste Verkehr flutete über den Marktplatz. An ihm standen
die schönsten Häuser, alle überragt von dem stattlichen Rathause. Bei
dem kunstvoll geschmückten Brunnen war den ganzen Tag über Leben.
Hier erfuhr man am schnellsten die Neuigkeiten aus dem Reiche, von
hier wurde der Stadtklatsch umhergetragen.
c) Beschäftigung d e r Bürger. Fast alle Bürger trieben Land-
Wirtschaft. Doch nur diejenigen unter ihnen, die größeren Grundbesitz hatten,
konnten von ihren Erträgnissen leben; für die überwiegende Mehrzahl war sie
nur Nebenbeschäftigung. Man zog eben selbst, was man für dm Hausgebrauch
am nötigsten hatte. Mannigfach waren die Arten des Erwerbes. Der Groß-
kaufmann schichtete in seinen geräumigen Speichern alle möglichen Waren auf,
von den Ballen Rohwolle bis zu dem sorgfältig gehüteten Säcklein mit kostbarem
Saffran; in feinen Kellern lagen große Stückfässer mit elf äff et und rheingauer
Weinen. Der Kleinkrämer hielt in feiner Apotheke (Laden) Spezereien feil nebst
manchem heilkräftigen Kräutlein. Alle Handwerke waren vertreten; denn jede
Reichsstadt bildete ein in sich fast ganz abgeschlossenes Wirtschaftsgebiet. Die
Eisenwaren vom Hufeisen bis zum kunstvoll ciselierten Panzer, die Holzarbeiten
von der rohgezimmerten Holzkiste bis zur herrlich geschnitzten Truhe und bis
zu der von oben bis unten mit schön gearbeiteten Bildwerken verzierten Hausfront —
alles wurde von Bürgern der Stadt selbst angefertigt Manch« Handwerkszweige
erhoben sich in einzelnen Städten zur höchsten Blüte; ihre Erzeugnisse wurden
viel ausgeführt und erlangten einen Weltruhm.
d) Gliederung der Bevölkerung. Die Bevölkerung schied
sich tu der Regel in zwei Hauptgruppen: in die Gemeinde und in die
Handwerker. Die letzteren machten gewöhnlich den an Kopfzahl stärkeren
Teil der Bürgerschaft aus, zu den ersteren gehörten die Patrizier, in deren
Händen meist das Stadtregiment lag. Die Kluft zwischen Gemeinde
und Handwerkern wurde mit der Zeit immer weiter. Beide Gruppen
gliederten sich wieder in Gesellschaften. Die Mitglieder solcher Ver-
einigungen hielten fest zusammen, betrachteten sich wie eine große
Familie und teilten Freud und Leid mit einander. Alle wichtigen
Ereignisse aus dem Leben des einzelnen wurde von der Teilnahme
der ganzen Bereinigung begleitet Bei den Handwerkern hießen diese
Verbindungen Zünfte, und gewöhnlich bildeten die Leute desselben
Handwerks eine Zunft mit einander. Sie hielten auf strenge Zucht.
Am Ende des Mittelalters wurde keiner als Meister ausgenommen, der
nicht als Probe feiner Geschicklichkeit ein Meisterstück vorgelegt hatte.
So wurden die Stümper entfernt, und in edlem Wetteifer erhob sich
das Handwerk an vielen Stellen zur Kunst.
e) Das Stadtregiment. Das Stadtregiment lag in den
Händen des Rates. Er bestand entweder ans lauter Patriziern, oder
diese hatten wenigstens das Übergewicht. Sie waren die Nachkommen
der altfreien Bürger, während die Zünftler wohl ursprünglich Hörige
gewesen waren und erst allmählich ihre persönliche Freiheit gewonnen