191
die Kreuz und Quere. Am wenigsten sieht man die alten erfahrenen
Pflücker, am meisten die Kinder von einer Fundstelle zur andern
laufen; die letzteren glauben immer noch bessere Plätze finden zu
können, jene aber wissen, daß wenig pflückt, wer viel läuft. Nur
selten wird eine kleine Pause gemacht, um ein mitgebrachtes Butter—
brot zu einer Handvoll Heidelbeeren zu verzehren oder einen Schluck
kalten Kaffees zu trinken. Nicht eindringlich genug können alle
Pflücker ermahnt werden, nicht barfuß in den Wald zu gehen und
ja beim Pflücken auch der Kreuzotterngefahr zu gedenken.
Wieviel von dem einzelnen an einem Tage gepflückt wird, hängt
ganz von seinem Fleiß, seiner Fertigkeit im Pflücken und der Menge
der gewachsenen Beeren ab. Selbst bei mittlerer Ernte pflücken
fleißige Kinder täglich bis zu 10 Pfund, erwachsene Mädchen und
Frauen 20 Pfund und darüber, das ist bei einem durchschnittlichen
Preise von 10 Pf. für ein Pfund ein Tagesgewinn bis zu 2 Mark
und mehr. Gleich abends werden die gepflückten Beeren auf die
Ankaufsstellen vor dem Walde oder in den Dörfern gebracht, und
die Händler schaffen die aufgekaufte Ware, in Körben wohl verpackt,
noch in derselben Nacht durch ihre Fuhrwerke auf die nächsten Bahn—
höfe, um sie von dort aus in die großen Städte zu verschicken. So
geht es Tag für Tag und Woche für Woche: Ende Juni und Juli
ist es die Bickbeerenernte, Ende Juli und Anfang August die Krons—
oder Preißelbeerenlese Von geringerer Bedeutung ist die gleich—
zeitige Himbeer- und die etwas spätere Brombeerlese. Es gibt fleißige
Kinder unserer Heidedörfer, welche sich im Laufe des Sommers mit
dem Beerenpflücken 30 bis 40 Mark verdienen, und Erwachsene,
deren Erlös aus dieser Nebenbeschäftigung sich in guten Jahren
auf 80 bis 100 Mark beläuft. Der durchschnittliche jährliche Gewinn
unserer ganzen Heidelandschaft aus ihrem Beerenreichtum beläuft sich
auf Hunderttausende von Mark. Überdies geben allen Beerenpflückern
der Heide die gesammelten Früchte des Waldes ihr wichtigstes Ein—
gemachtes. Selbst in der einfachsten Mietswohnung sieht man im
Herbste auf dem Schranke im Flur oder auf dem Bört in der Speise—
kammer oder im Keller eine Reihe von Flaschen mit eingekochten Bick—
beeren und einen Topf mit eingemachten Kronsbeeren, und auf dem
Mittagstisch findet man dort nicht selten weiter nichts als Pfann—
kuchen und Bickbeeren oder gestampfte Kartoffeln und Kronsbeeren,
zwei gern gegessene Gerichte.
Eigenartig ist es, daß die Kronsbeere sich auf dem Nordostgebiete
der Lüneburger Heide, dem Entwässerungsgebiete der Elbe, fast gar
nicht findet; ihr Hauptfundort ist der Kreis Celle. Sie liebt den