Full text: Geschichte für Mittelschulen und ähnliche Lehranstalten der Provinz Sachsen

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Antrag rief bei den Optimalen eine große Erbitterung hervor. 
Sie suchten ihn auf jede Art zu Falle zu bringen. Es fand sich 
sogar ein Kollege des Gracchus, der sein Veto gegen den Antrag 
einlegte. Aber der Volksfreund war so von der Notwendigkeit seiner 
Reform für das Staatswohl überzeugt, daß er sogar vor einer 
Gesetzesübertretung nicht zurückschreckte. Auf seinen Antrag 
wurde jener Tribun vom Volke abgesetzt, obwohl römische Beamte 
während ihrer Amtszeit nicht abgesetzt werden durften. In sehr 
stürmischer Versammlung ging der Antrag durch, und da das Volk 
eine außerordentlich drohende Haltung zeigte, ließ sich der stolze 
Senat einschüchtern und gab seine Zustimmung. Es wurden sogar 
drei Männer eingesetzt, die feststellen sollten, wer zuviel Staatsacker 
in Benutzung hätte. 
c) Sein Ende. Wollte Gracchus aber seine Aufgabe durch- 
führen, so mußte er längere Zeit im Amte bleiben; er betrieb des- 
halb seine Wiederwahl. Das aber [war auch gesetzwidrig; denn man 
durfte dasselbe Amt erst nach zehn Jahren wieder bekleiden. Als 
die Wahl vorgenommen werden sollte, stürzten sich eine Anzahl Opti- 
maten in die Versammlung und erschlugen Gracchus mit vielen seiner 
Anhänger. So war zum ersten Male Blut geflossen im Streite 
der Bürger untereinander. 
3. Gajus Gracchus, a) Wiederaufnahme und Erwei¬ 
terung der Pläne seines Bruders. Zehn Jahre später 
nahm der jüngere Gracchus, Gajus, die Aufgabe seines Bruders 
wieder auf. „ Dieser hatte es insofern leichter, als jenes Gesetz 
über die Amterbekleidung inzwischen aufgehoben war. Durch 
mehrere wichtige Gesetze machte er sich beim Volke sehr beliebt. 
Jedem Bürger wurde für den Krieg fortan die Ausrüstung vom 
Staate gestellt. Für ein paar Pfennige mußte der Staat den 
Proletariern das Brotkorn liefern. Große Wegbauten wurden auf 
seine Veranlassung in Angriff genommen. Gracchus schaltete und 
waltete wie ein König, und der Senat fürchtete ihn. Er ging dann 
in seinen Bestrebungen weit über die Ziele seines Bruders hinaus. 
Auf seinen Antrag wurde beschlossen, daß auch in den Provinzen 
ärmere Bürger angesiedelt werden sollten, so 8000 auf dem Boden 
von Karthago. Dann wollte er sogar den Bundesgenossen das 
Bürgerrecht verleihen und so mit einem Schlage die ^ahl der 
Bürger um Hunderttausende vermehren. Zugleich sollte damit ein 
altes Unrecht gut gemacht werden; denn die Bundesgenossen waren 
zu denselben Lasten verpflichtet wie die Bürger, besonders zum Kriegs- 
dienst, ohne aber die Rechte derselben zu 'besitzen. Doch mit diesem 
Antrag entfremdete er sich die römischen Bürger; der ärmste 
von ihnen dünkte sich weit mehr als der reichste Bundesgenosse 
zu sein. 
Froning und Grothe, Geschichte. Ausg. D. 4
	        
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