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in bent großen Steppengebiete ber mittleren unb unteren Wolga hatte. Hier
lebten unsere Vorfahren in Erbhöhlen unb ernährten sich von ben Erzeugnissen
ber Jagb, bes Fischfangs unb ber Viehzucht. Mit ihren reichen Rinber-, Schaf-
unb Ziegenherben verließen sie jedoch balb bie alten Plätze, wenbeten sich nach
Osten unb nach Norben, so baß sie nach unb nach nicht nur Skandinavien
unb bie Dänischen Inseln, sonbern auch bas weite Gebiet zwischen Karpathen,
Alpen, Rhein, Norb- unb Ostsee besiebelten. Hier verbräugten sie bie Kelten.
Nach ihren Wohnplätzen kann man brei große Gruppen von Germanen unter-
scheiben, bie Norb-, Ost- unb Westgermanen; bie Wasserscheibe zwischen Elbe
unb Ober bilbete bie Grenze zwischen West- unb Ostgermanen.
. Aus ben langen Wanberungen mußte ben Germanen bas Bewußtsein ihrer
Zusammengehörigkeit verloren gegangen sein, benn wir erfahren, baß sie zur
Zeit ber Römer in viele Völkerschaften zerfielen. Zu ben Westgermanen rechnen
nur bte Friesen an ber Norbseeküste, bie Saxonen unb Angeln in
Schleswig-Holstein, bie Sexngobarben an ber unteren Elbe, bie Cherusker
an ber Weser unb um ben Harz, bie Chatten im heutigen Hessen unb bie
Hermunburen in Thüringen. Zu ben Ostgermanen gehörten: Die Goten
zu beiben Seiten ber unteren Weichsel, bie Van baten in Schlesien, bie
Markomannenin Böhmen unb bieSurgunbionen an ber Warthe unb Netze.
3. Gestalt, Kleidung und Wohuung.
Die alten Germanen waren von großer, kräftiger Gestalt. Sanges, hellblonbes
Haar wallte auf bie Schultern herab. Aus ben blauen Augen blickten Mut,
Tapferkeit unb Freiheitsstolz. Die Kleibung war einfach; sie bestaub meistens
nur aus einem Unterbleibe aus Leinen- ober Wollzeug, bas ben Hals, bie Arme
unb bte Beine frei ließ. Darüber würbe noch oftmals bas Fell eines erlegten Tieres
geworfen; auch war bei einigen Stammen bie Hofe bekannt. Die Füße wurden
mit einem Stück Fell umwickelt. Die kleinen Kinber gingen völlig nackt; größere
Knaben trugen Sommer unb Winter einen Lenbenschurz. Die Frauen kleibeten
sich gern in ein weißes Gewand; für Schmuckgegenstänbe waren Männer unb
Frauen nicht unempfänglich.
Stäbte kannten unsere Vorfahren noch nicht; sie wohnten in Dörfern, bie aus ein¬
zelnen Gehöften bestanden. Diese würben in ber Regel an einer Quelle erbaut; sie
waren von einem Zaun umgeben, bamit bie wilben Tiere nicht gleich einbringen
konnten, bestauben aus bem Wohnhause und den Stallungen und wurden oftmals von
einer Eiche beschattet. Die Gebäude waren aus rohen Baumstämmen aufgeführt;
die Dächer gingen tief herab und waren mit Schilf ober Stroh bebeckt. Große
Steine beschwerten sie, bamit ber rauhe Sturm sie nicht wegreißen konnte. Die
Giebel waren mit Pferdeköpfen verziert. Das Wohnhaus bestaub nur aus einem
Räume; in ber Mitte staub auf dem festgestampften Fußboden ein großer, aus¬
gehöhlter Stein, auf dem Tag und Nacht das Feuer brannte. Es war der Herd,
der Ehrenplatz für die Hausfrau. Über dem Feuer hing der Kessel, in dem die
Speisen bereitet wurden; eine Holzröhre führte nach dem Dache, sie sollte dem
Rauche als Abzugskanal dienen. Unbehauene Holzklötze vertraten die Möbel
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