Full text: [Teil 1 u. 2] (Teil 1 u. 2)

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machte durch die Schwertleite die Jünglinge wehrhaft. Eigenartig war die Ab- 
stimmung bei der Versammlung; bei der Zustimmung schlugen die Germanen 
an ihre Waffen, bei der Ablehnung der Vorschläge lief dagegen ein Murren 
durch die Reihen. 
6. Recht- und Kriegswesen. 
Eigenartig waren auch die Rechtsverhältnisse. War dem Fürsten ein Verbrechen 
angezeigt, so berief er alle freien Germanen, denn einen besonderen Richter- 
stand gab es bei ihnen noch nicht. Der Kläger trat nun in den K^eis, und der Ver- 
klagte mußte aus die Fragen des Fürsten Rede und Antwort stehen. Wurde dadurch 
die Schuld erwiesen, so schlug der Vorsteher eine Strafe vor, die aber erst von 
den Umstehenden, nämlich vom Volke, bestätigt werden mußte. Wollte der Verklagte 
die Buße nicht auf sich nehmen, so wurde er aus der Volksgemeinschaft ausgestoßen. 
Das Verbrechen wurde mit Pferden und Rindern gesühnt, da es bei den Germanen 
noch kein Geld gab; selbst der Mord konnte durch ein Wergeld gesühnt werden. 
Zuweilen griffen die Germanen auch zur Selbsthilfe, die furchtbare Blutrache 
war eine Form davon. — Bei der Erziehung der Knaben wurde schon darauf 
Bedacht genommen, daß sie dereinst als Krieger die einheimischen Sitten und 
Gebräuche zu verteidigen hatten. Deshalb wurde der Körper durch Schwimmen 
und Baden abgehärtet und gestählt. Die Übung im Gebrauche der Waffen und 
der gefährliche Tanz zwischen den Schwertern erhöhten die Gewandtheit, und 
die Jagd auf Wölfe und Bären festigte den Mut. Ungefähr mit dem zwanzigsten 
Lebensjahre wurde der Jüngling in öffentlicher Volksversammlung durch Ver- 
leihung der Waffen unter die freien Germanen aufgenommen. Nun gehörte 
er wie alle anderen zum Heerbanne und mußte, wenn ein Pfeil als Zeichen des 
Aufgebots von Hof zu Hof getragen worden war, dem Herzoge in den Krieg folgen. 
In dem Kampfe bildeten die Krieger einer Hundertschaft einen Gevierthaufen, 
dessen Anführer der Gauvorsteher war. Dadurch bekam der Angriff Kraft, Zähig- 
keit und Ausdauer; denn der einzelne konnte sich ganz auf seinen Vorder-, Hinter- 
oder Nebenmann verlassen. Die Waffen dienten dem Schutze und dem Angriffe. 
Zu den Schutz Waffen gehörte der Schild, der aus Holz oder Weiden hergestellt 
und mit Fellen überzogen war. Als A n g r i f f s w a f f e n benutzten die Germanen 
die Streitaxt, das kurze Schwert und den Spieß, der zum Schleudern oder Stoßen 
diente und mit einer scharfen Eisenspitze versehen war. Wenn die alten Deutschen 
auf der Wanderschaft waren, so fuhren sie hinter der Schlachtreihe ihre Karren 
zur Wagenburg zusammen; sie bildete dann den Aufenthaltsort für Frauen. 
Kinder und Greise. 
7. Religion. 
Die alten Deutschen verehrten die Kräfte der Natur, die sie sich als Personen 
dachten. Im Murmeln des Baches, im Rauschen des Flusses, im Zucken des 
Blitzes, im Säuseln des Windes, im Wüten des Sturmes glaubten sie die 
Stimme einer Gottheit zu vernehmen. Sie hatten jedoch keine Priester, auch 
bauten sie keine Tempel; sondern draußen im Walde unter einer uralten Eiche
	        
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