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b) Verlauf. Auswanderung der Plebejer auf den
heiligen Berg 494.
Natürlich waren die Patrizier nicht gewillt, ihre Vorrechte ohne Kampf
sogleich aufzugeben. Da griffen die Plebejer zu dem einzigen Mittel, das ihnen
Erfolg verschaffen konnte; sie versammelten sich und verließen mit Weib und Kind
ihre Vaterstadt, um auf dem heiligen Berge neue Wohnsitze zu gründen. Darauf
waren die Adeligen freilich nicht vorbereitet; sie wurden bestürzt und schickten
zu den Ausgewanderten einen klugen Mann mit Namen Menenins Agrippa,
der. bei dem Volke sehr beliebt war. Er versammelte die Plebejer um sich und
Abb. 31. Umgebung des Kapitols in Rom.
(Nach einer Rekonstruktion.)
erzählte ihnen folgende Geschichte: Einst wurden die Glieder des menschlichen
Körpers über den Magen ärgerlich, weil er nach ihrer Meinung nichts täte. Sie
beschlossen deshalb, ihm keine Nahrung mehr zuzuführen. Da ging der Magen
bald zugrunde; aber auch die Glieder wurden von der Stunde an schwächer
und schwächer, denn der Magen konnte ihnen ja keine stärkenden Säfte mehr
zukommen lassen. Nun merkten die Glieder ihren schweren Irrtum, arbeiteten
wieder und erhielten vom Magen wieder die Kraft zu ihrem Tun zurück. — Die
Plebejer merkten bald, was ihnen Agrippa sagen wollte; sie kehrten nach Rom
zurück und bezogen die alten Wohnungen wieder. Aber ihren Zweck hatten sie
doch erreicht; denn die Patrizier erließen ihnen die Schulden und gaben ihnen
zwei Beamte, die Volkstribunen genannt wurden (494).