Full text: [Teil 1 u. 2] (Teil 1 u. 2)

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Übergangsbestimmung hinzu, daß für die beiden ältesten Söhne noch je 250 Morgen 
von den Staatsländereien in Nutznießung genommen werden konnten. Aus 
dem Überschusse sollten kleine Güter von 30 Morgen hergestellt werden, 
die dann als unverkäufliches Lehen den armen Bürgern übergeben werden sollten. 
Tiberius Gracchus wollte also wieder einen freien Bauernstand schaffen; die 
Kluft, die sich zwischen den Großgrundbesitzern und den besitzlosen Proletariern 
aufgetan hatte, sollte durch einen tüchtigen, wehrhaften Mittelstand ausgefüllt 
werden. Dem edlen Volksfreunde schwebte also ein wirtschaftliches Siel vor. 
Natürlich war die große Mehrheit der Reichen gegen das Gesetz, denn sie hätten 
ja große Strecken ihres Besitzes herausgeben müssen. Deshalb suchte der Senat 
den zweiten Volkstribun auf seine Seite zu bringen. Das gelang ihm auch, und 
der Volkstribun legte tatsächlich Widerspruch gegen das Volksgesetz ein, so daß 
es nicht angenommen werden konnte. Da griff Tiberius Gracchus zu einem 
Gewaltmittel. Er beantragte die Amtsentfetzuug seines Kollegen, weil ein Mann, 
der für das Volk kein Herz habe, nicht Volkstribun fein könne. Gracchus erreichte 
feinen Zweck; der Tribun wurde feines Amtes entfetzt, und nun wurde das Acker- 
gefetz angenommen. Zugleich wurden drei Männer bestimmt, nämlich Tiberius 
Gracchus, sein Schwiegervater und sein Bruder, die die Verteilung der Ländereien 
vornehmen sollten. Aber das Amtsjahr lies seinem Ende entgegen; um seine Tätig- 
feit für das Volk fortsetzen zu können, wollte sich Tiberius Gracchus abermals 
zum Tribun wählen lassen. Das suchten seine erbitterten Feinde zu verhindern. 
Bei der Abstimmung über seinen Antrag kam es zu Tätlichkeiten; Tiberius Gracchus 
wurde mit vielen seiner Anhänger mit Knütteln erschlagen (133). 
Zehn Jahre später trat sein Bruder Caius Gracchus aus. Als er zum Volks- 
tribun gewählt war, erneuerte er das Ackerg es etz seines Bruders. Zugleich suchte 
er aber dasselbe zu erweitern, indem er den Antrag einbrachte, in den Provinzen 
eine Aufteilung des Landes zu kleinen Gütern vorzunehmen. Dadurch wollte er noch 
mehr besitzlose Proletarier zu Bauern machen und außerdem römisches Wesen 
nach den Provinzen verpflanzen. Caius Gracchius hatte also ebenso wie sein 
Bruder ein wirtschaftliches Ziel vor Augen. Daneben suchte er aber auch das 
Volk unabhängiger von den Optimaten zu 'machen und die Macht des Senats 
einzuschränken. Er setzte deshalb durch, daß die Dienstzeit der Krieger verkürzt 
wurde, und daß der Staat für Bekleidung, Bewaffnung und Ernährung des 
Heeres zu sorgen hatte. Auch verschaffte er den untersten Volksklassen billigeres 
Brot; er beantragte das Getreidegesetz, nach dem der Staat das Korn auf- 
kaufen und zu niedrigem Preise dem Volke wieder abgeben sollte. Die Macht 
des Senats suchte er zubrechen, indem auf sein Betreiben die Richterwürde 
in der Hauptsache den Rittern übertragen wurde. Als das Gesetz angenommen 
war, rief Gaius Gracchus aus: „Mit einem Schlage habe ich den Senat zu Boden 
gestreckt!" Nach diesen Erfolgen brachte der gewaltige Mann, der tatsächlich Rom 
beherrschte, seinen Hauptantrag ein; er verlangte, daß den italischen Bundes- 
genossen das römischeBürger recht verliehen würde. Alle Bewohner der Halb- 
insel sollten das Recht haben, zu den Ämtern in Rom zugelassen zu werden. Bis 
jetzt hatten die Bundesgenossen nur Pflichten gehabt. Caius Gracchus wollte
	        
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