C. Von der Französischen Revolution bis zur Gegenwart.
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5. Die deutsche Rechtspflege.
Geraten Personen um Geld und Gut oder wegen Beleidigung oder
Körperverletzung miteinander in Streit, so versucht zunächst der Schieds-
mann, ein dazu gewählter Laie, sie zu versöhnen. Gelingt ihm das
nicht, so haben die staatlichen Gerichte zu entscheiden, nämlich die
Amtsgerichte, Landgerichte, Oberlandesgerichte und dasReichs-
geri cht.
Im bürgerlichen Rechtsstreit (um Geld und Gut) entscheidet
in erster Instanz der Amtsrichter oder bei einem Streitgegenstande im
Werte von mehr als 600 Mark die mit drei Richtern besetzte Zivil-
kämm er des Landgerichts. Gegen die Entscheidung des Amtsrichters
gibt es nur die Berufung an das Landgericht) gegen Entscheidungen,
die das Landgericht in erster Instanz erlassen hat, ist die Berufung an
das Oberlandesgericht zulässig und, wenn der Wert des Streitgegen-
standes mehr als 4000 Mark beträgt, auch noch die Revision bei dem
Reichsgericht in Leipzig.
In Strafsachen entscheidet über alle unbedeutenden Strassälle
in erster Instanz das Schöffengericht, das aus dem Amtsrichter und
zwei Laien, den Schöffen, besteht. Schwerere Bergehen und alle Ber-
brechen gehören vor die mit sünf Richtern besetzte Strafkammer des
Landgerichts oder vor das am Landgericht nach Bedarf gebildete
Schwurgericht, das aus drei Richtern, einem Gerichtsschreiber und
zwölf Laien, den Geschworenen, besteht. Diese haben nur zu entscheiden,
ob der Angeklagte schuldig ist oder nicht; das Strafmaß bestimmen die
Richter. Gegen Urteile der Schöffengerichte kann nur Berufung beim
Landgericht und weiter Revision beim Oberlandesgericht eingelegt werden.
Gegen die Urteile der Strafkammern und Schwurgerichte ist nur Revision
beim Reichsgericht zulässig. — Vor dem Landgericht und allen höheren
Gerichten müssen Kläger und Beklagte einen Rechtsanwalt als Beistand
annehmen.
Das Amtsgericht ist ferner noch in der freiwilligen Gerichtsbar-
keit tätig: in der Grundbuchführung, in Vormundschafts- und Ent-
mündiguugssachen, Zwangsversteigerungen, Konkurssachen, Führung der
Handels- und Vereinsregister usw.
6. Zölle und Steuern.
a) Die Reichssinanzen. Das Reich gebraucht Geld zur Unter-
Haltung und Vervollständigung des Heeres, der Marine und der Festungen,
zur Besoldung der Beamten, für die Alters- und Juvaliditätsversiche-
ruug. An Einnahmen fließen in die Reichskasse: Zölle von vielen
eingeführten Waren, wie Seide, Tee, Kaffee, Korn, Maschinen usw.;