Königin Elisabeth, von England. 
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geschlagen sind. Indes, sollte es nur Glück gewesen sein? Vielleicht nur das 
Verdienst ihrer Minister, die ihre Fehler wieder ausgeglichen hätten? Es ist 
gewiß schwer zu sagen, wie weit bei Elisabeth, indem sie abwartete und nicht 
handelte, das wohlbedachte System ging und wo die Planlosigkeit, die bloße 
Nachgiebigkeit gegen die eigene Tatenscheu begann. Vielfach ist es ganz deutlich, 
daß Geiz, Unentschlossenst, ja Feigheit und Unsicherheit die Königin beherrschten 
und daß es ganz falsch sein würde alle ihre Schwankungen auf überlegenes 
Rechnen zurückführen zu wollen. Es ist eine unverkennbare Verwandtschaft 
zwischen ihr und Katharina von Medici, der Frau der ewigen Auskünfte und 
kleinen Mittel; eine Verwandtschaft auch mit Philipp II. selbst, dem Zauderer, 
der so oft den Augenblick des Schicksals verfehlt hat: nur mit dem Unterschied, 
daß Philipp ein Prinzip in sich darstellte und ganz einheitlich war, Elisabeth 
aber wirtlich in der Kleinheit der Augenblickspolitik aufging. Dennoch ist sie 
unendlich größer als Katharina und unendlich lebensvoller als Philipp; dennoch 
eine schwer definierbare, aber unbestreitbare Größe in ihrem Wesen und ihrer 
Geschichte, über all jene ebenso unleugbare Kleinheit hinweg. Sie hatte, einmal 
einen staatsmännischen Sinn, der wenigstens über Philipps Fähigkeiten zweifellos 
weit hinausragt; und dann, in all ihren persönlichen Schwankungen war doch 
ein allgemeines Element, das sich gar nicht verkennen läßt. Es kann, so wird 
das Urteil immer lauten müssen, nicht bloße Schwäche gewesen sein, wenn sie 
wartete und nur den Augenblick walten ließ. Sie wollte etwas anderes als 
ihre Minister; sie wollte gar keine protestantische Politik. Man kann sich ausmalen, 
wie Großes sie hätte leisten können, wenn sie die Reformation bewußt und 
folgerecht so verkörpert hätte wie Philipp die Gegenreformation; es hätte eine 
stolze Politik voll idealen Schwunges, voll Innerlichkeit und Macht sein können 
— Oliver Cromwell hat sie später so geübt, Elisabeths Politik war es nicht. 
Was Elisabeth wollte, war eben die Defensive: immer nur zu tun, was unoermeid- 
lieh wäre, niemals mehr. Das war an sich auch ein halsbrecherisches Wandeln, 
am AbHange hin: es konnte sie verderben, ein starker Feind konnte sie einmal 
überraschen. Das ist nicht geschehen; der Erfolg hat Elisabeths Verfahren 
bestätigt. Und das ist doch auch wahr, daß sie mit allem Abwarten, Knausern 
und Fürchten stets nur bis an die Grenze des gerade noch Erlaubten gegangen 
ist, nie über diese hinaus. Sie hatte den Instinkt des Möglichen, des Notwendigen; 
stets paßte sie noch den letzten, den allerletzten Augenblick der Tat ab und 
handelte. Sie hatte auch Temperament, ja eine harte Energie; es ist nicht 
richtig, daß sie nur ängstlich gewesen ist. Man muß ihre Briefe ansehen; wo 
sie frei reden darf oder muß, bricht eine Bewunderung erregende Sicherheit und 
Schärfe des Willens und der Sprache hindurch, die schneidend klare Bestimmtheit 
des Gebieters. Ihre Handschrift hat Kraft und Kühnheit, einen flüssigen, 
raschen, männlichen Zug.
	        
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