Der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm. 
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aus dem Reichsorganismus einen schmerzlich als solchen empfundenen Fremd- 
körper entfernt. Gewiß hat der Kurfürst den Vorteil ganz Deutschlands nicht 
als Hauptzweck sich gesetzt; allein es wäre ungerecht zu verkennen, daß er tat- 
sächlich der erfolgreichste, ja zu seiner Zeit der einzig erfolgreiche Verfechter 
und Verbreiter deutschen Wesens war. Es wäre ebenso ungerecht ihm das 
Gefühl für das weitere Vaterland überhaupt abzusprechen. Hat er nicht 1684 
den Vorschlag des allmächtigen Franzosenkönigs ihm das glühend gewünschte 
Vorpommern gegen die Zustimmung zur Abtretung der Neichsfestung Philipps- 
bürg1) an Frankreich zu verschaffen rundweg abgelehnt? Welcher deutsche 
Fürst hätte damals einen so gewaltigen Vorteil aus den Händen gegeben 
gegen ein Zugeständnis, das ihn selbst nichts kostete, nur die Sicherheit und 
Ehre des Reiches schädigte? Auch hier hat Friedrich Wilhelm ein großes und 
glänzendes Beispiel gegeben. Selbst sein Bündnis mit Frankreich hat er sorg- 
lich zur möglichsten Wahrung der Reichsintegrität benützt. Er bot dem Kaiser 
die Umwandlung der brandenburgischen in eine Reichsflotte an, wollte so dem 
ganzen Deutschland ein Machtmittel überliesern, das es seit vielen Jahr- 
Hunderten schmerzlich und zu seinem großen Schadeil vermißte. Nicht seine 
Schuld ist es gewesen, wenn der deutsche Doppelaar damals nicht über den 
Meeren schwebte. 
Friedrich Wilhelms politische Begabung hat sich nie glänzender gezeigt als 
während der letzten Jahre seines Lebens, wo sein Körper durch unaufhörliches 
schmerzliches Leiden, sein Herz durch Zwist und Unglück in der nächsten Familie2) 
gepeinigt und gebeugt waren. Da gerade entwarf und befolgte er das geniale 
Programm: Zusammenfassung ganz Europas, mit Verzicht auf alle Sonder- 
vorteile und kleinlichen Streitigkeiten, gegen die drohende Universalmonarchie 
des Königs von Frankreich. Er stand mit seinem Neffen Wilhelm von Oranien 
an der Spitze des europäischen-Gegenbundes, an dessen Ausdehnung und Be- 
festigung der Greis mit jugendlichem Schwung und Feuer arbeitete. Gewiß, 
er hat nicht als erster diesen Gedanken gefaßt; aber das ist auch nicht das 
verdienstlichste, vielmehr ist es die planmäßige, unentwegte,- entschlossene Tätig- 
feit für dessen Verwirklichung. Und er war der erste, der den Plan zu dem 
für das Gelingen des großen Programms unentbehrlichen Unternehmen auf 
England gedacht und auf seine Ausführung hingestrebt hat — schon bei Leb¬ 
zeiten Karls II., feit 1684. Er allein hat den Oranier und die Generalstaaten 
1) Philippsburg in Baden an einem toten Rheinarm spielte als Brückenkopf in 
den Kriegen des 17. Jahrhunderts eine große Rolle 
2) Friedrich Wilhelm war in seinem Alter von der Gicht heimgesucht. Der älteste 
seiner Söhne, Karl Emil, starb im Alter von 20 Jahren; der zweite, der nachmalige 
König Friedrich, geriet mit seinem Vater in Zerwürfnisse, die den Lebensabend des 
greisen Herrschers, verdüsterten.
	        
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