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Charakteristik des Prinzen Eugen.
Die Franzosen wurden überrascht; Eugen stand auf italienischem Boden,
ehe sich Catinatx), der am Monte Baldo2) den Angriff erwartete, dessen versah.
Dem kühnen Marsch folgte ein kühner Kampf, der Sieg blieb bei Carpi») den
kaiserlichen Truppen.
13. Chcirakferitfik des Prinzen Eugen.
Alfred Arneth, Prinz Eugen von Savoyen.
(Wien, Zamarski, Dittmarsch & Sie.)
Dem Prinzen Eugen gebührt Österreichs größter Feldherr, sein edelster
Staatsmann genannt zu werden. Das rastlose Bestreben, die Größe des Kaiser-
Hofes, die Macht und das Wohl Österreichs zu fördern, bildete den Grundzug
seiner politischen Tätigkeit wie seines militärischen Wirkens. Was zur Er-
reichung dieses Zieles diensam schien, darauf arbeitete Eugen hin ohne irger.b
einer persönlichen Vorliebe oder Abneigung den geringsten Einfluß auf seine
Haltung zu gestatten. Er bewies dies am besten, indem er zu wiederholten
Malen selbst seine tiefgewurzelte Mißstimmung gegen Frankreich zurückdrängte
um eine Annäherung des Hauses Habsburg an den mächtigen Nebenbuhler
möglich zu machen.
Da er sich jedoch bald überzeugte, daß bei der feindseligen Gesinnung,
welche Frankreich an den Tag legte, eine bleibende Verbindung mit demselben
unmöglich sei, war wohl die Hauptabsicht des Prinzen dahin gerichtet ein poli¬
tisches System zu gründen, durch welches der Übermacht der Bourbonen ein
dauerndes Gegengewicht geschaffen würde. Das innigste Bündnis mit Preußen
und Rußland und eine möglichst enge Allianz mit den Seemächten schien ihm
das passendste Mittel hierzu. Dies zu verwirklichen bildete den Gegenstand seiner
rastlosen Bestrebung und es war nicht seine Schuld, wenn er sein Ziel nur
unvollkommen zu erreichen vermochte.
Was insbesondere Deutschland anging, so hatten die Bemühungen des
Prinzen den zweifachen Zweck die stete Zwietracht zwischen den Fürsten dieses
Landes zu beseitigen und die Macht des Kaisers in demselben zu stärken und
auszudehnen.
Dies ist die Anschauungsweise, welche der politischen Wirksamkeit des
Prinzen zugrunde lag. Völlig unrecht geschieht ihm, wenn behauptet wird,
er sei es gewesen, der die Verhandlungen des Kaiserhauses mit fremden Mächten
:) Dem französischen Marschall Catinat war zu Beginn des Spanischen Erbfolge-
kriegs der Oberbefehl über die französischen Truppen in Oberitalien übertragen.
2) Der Monte Baldo erhebt sich östlich vom Gardasee.
3) Südlich vom untern Po.