Die Germanen der Urzeit.
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feuchten Holze der germanischen Urwälder ein Feuer zu entzünden. Diese
dürftigen Speisen würzte man am Meere mit getrocknetem Seetang; im inneren
Lande waren die salzhaltigen Quellen ein Gegenstand wilder Völkerkriege und
abergläubischer Verehrung. Man beutete sie aus, indem man ihr Wasser über
brennende Holzstöße goß und dann das Gemisch von Salz und Kohle, welches
die Scheite bedeckte, von ihrer Oberfläche abkratzte. Den meisten Binnenländern
aber fehlte selbst diese unappetitliche Würze; um ihren Nährwert zu ersetzen be-
durften sie umsomehr des Fleisches, das ihnen nur die Jagd in genügender Menge
verschaffen konnte. Damit ihr Ertrag nicht abnehme, sorgte jede Völkerschaft
dafür ihre Dörfer mit einer breiten Zone unbewohnten Waldes zu umgeben,
welche dem Wilde Schutz bot und zugleich die Raubzüge der Nachbarn erschwerte.
Die Ausdehnung dieser wüsten Jagdgründe bildete den Stolz des Volkes; je
weiter es um seine Grenzen her jede Ansiedlung verhindern oder zerstören
konnte, desto mehr rühmte es sich seiner unbezwinglichen Tapferkeit. Auf diese
Weise konnte von einem regen Verkehr der Völkerschaften untereinander und
von den Kultureinflüssen, welche ein solcher mit sich führt, nicht die Rede sein.
Dem entsprechend war die Entwicklung aller Kenntnisse und technischen
Fertigkeiten. Mit Rechnen und Zählen machte man sich nicht viel zu schaffen,
sondern nannte jede größere Vielheit kurzweg hundert oder tausend. War das
Alphabet bekannt, was wir nicht wissen, so benutzte man es doch nur zur
Wahrsagerei und allerhand Zauberspuk. Das Schmiedehandwerk betrieb man
zwar; doch war das Metall ein seltener und kostbarer Artikel; aus diesem
Grunde besaßen auch nur wenige Schwerter, sondern die Hauptwaffe war der
lange Speer, dessen kleine Spitze eine geringe Menge des wertvollen Materials
in Anspruch nahm. Und selbst diesen konnte sich nicht jeder anschaffen; die
Ärmsten, welche in der Schlachtreihe die hinteren Glieder bildeten, kämpften oft
nur mit Stangen, deren zugespitztes Ende im Feuer gehärtet war. Aus Bronze
fertigte man Gürtel, Fibeln und Spangen; das Gold und Silber, welches durch
den Handel eindrang, wurde zu Ringen und Ketten, Hals- und Armbändern
verarbeitet, mit denen sich Männer und Weiber gern den Leib behängten, wie
ja alle Wilden sehr begierig nach Schmuck zu sein pflegen. Als Münze lernte
man nur im Westen, wo der Verkehr mit den Galliern und später mit den
Römern am regsten war, die Edelmetalle gebrauchen; sonst diente das Vieh
als Wertmesser und Tauschmittel. Die Webekunst hatte man als Erbteil des
indo-germanischen Urvolkes in die neuen Wohnsitze mitgebracht, bediente sich
ihrer aber nur in geringem Umfange. Denn trotz des rauhen Klimas deckten
die meisten ihre Blöße nur notdürftig mit ein paar zusammengenähten Fellen.
Das Meer, welches den Südländern immer furchtbar geblieben war, lockte die
Deutschen schon früh zu kühner Wikingerfahrt. Doch ihre Schiffbaukunst
beschränkte sich auf das Aushöhlen roher Baumstämme; diese lieferten ihre
Förderreuther-Würth. Aus der Gesch. d. Böller. II. 2