VI. Perforiert und Greigniffe im ausgehenden 
Mittelalter. 
1. König Offokar von Böhmen. 
D. Lorenz, Deutsche Geschichte im 13. und 14. Jahrhundert. 
(Wien, Wilhelm Braunmüller.) 
Ottokar stand, als er auf dem höchsten Gipfel seiner Macht angelangt war1), 
eben im besten Mannesalter; obwohl man sein Geburtsjahr nicht sicher 
feststellen kann, dürste es doch nicht später als 1230 zu setzen sein. Daß er 
seiner mütterlichen Abstammung nach ein Deutscher gewesen, darauf hat man 
schon damals in deutschen Chroniken Gewicht gelegt. Von seiner Mutter 
Kunigunde, der edlen Tochter Philipps von Hohenstaufen, war der hohe Flug 
des Ehrgeizes, der diesem Hause so eigen war, auf den Sohn übergegangen, 
der sich dadurch sehr merklich von dem schwerfälligen Wesen seines Vaters 
Wenzel unterschied. 
Von den geistigen Gaben des Königs wird mit Einstimmigkeit viel des 
Lobes gesagt. Man schildert ihn als sehr verständig, als einen Mann, der mit 
Weisen und Gelehrten Unterredung zu pflegen wußte und sich wohl in der 
Beredsamkeit mit ihnen messen konnte. Seine Klugheit wird fast von allen 
Berichterstattern hervorgehoben, und wenn man auf seine Geschichte blickt, so ist 
man nicht verlegen Beispiele für das schlaue und diplomatisch berechnete Wesen 
des Königs anzuführen. Doch kann man gerade bei dieser Eigenschaft eine 
gewisse Kurzsichtigkeit nicht verkennen, welche nur klug in den zunächstliegenden 
Fragen zu wählen weiß, aber das Ende der Dinge schwerlich genügend vorhersieht. 
Und wie der König auf dem Felde der Politik, genau so hat er sich auch 
als Führer im Kriege gezeigt. Die offene Mannesschlacht wußte er durch Mut 
und Entschiedenheit trefflich zu leiten, aber ein wohl kombinierter Feldzug ist 
ihm niemals gelungen. Von seiner persönlichen Tapferkeit strömen alle Quellen 
über. Seine schweren böhmischen Reiter galten als unüberwindlich, wenn er an 
ihrer Spitze gegen den Fe:nd heranstürmte. Gleichwohl war er keine persönlich 
*) Nach der Erwerbung von Kärnten und Krain im Jahre 1270.
	        
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