Platon.
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als Philosoph die kühnste Idealität mit einer seltenen Schärfe des Denkens,
die Anlage zu abstrakter dialektischer Untersuchung mit der Frische des künst-
lerischen Schaffens vereinigt, so vereinigt er als Mensch Strenge der sittlichen
Grundsätze mit lebendiger Empfänglichkeit für das Schöne, Adel und Hoheit der
Gesinnung mit Zartheit des Gefühls, Feuer mit Selbstbeherrschung, Begeisterung
für seine Sache mit philosophischer Gemütsruhe, Ernst mit Milde, Geistesgröße
mit schlichter Menschenfreundlichkeit, Würde mit Anmut; und gerade das ist
das Große an ihm, daß er die
scheinbar widersprechenden Züge
zur Einheit zu verknüpfen, die
Gegensätze wechselseitig zu er-
gänzen, den Reichtum seiner Kräfte
und Anlagen allseitig zur voll-
kommensten Harmonie zu ent-
wickeln weiß. Jene sittliche Schön-
heit und Gesundheit des ganzen
Lebens, die Platon selbst als
echter Grieche vor allem verlangt,
hat er in seiner eigenen Persön-
lichkeit zur Darstellung gebracht;
und damit diesem Bilde die Über-
einstimmung der äußeren Er-
scheinung mit dem Inneren nicht
fehle, wird uns auch seine kör-
perliche Kraft und Schönheit ge-
rühmt. Was aber hiebet dem
Philosophen eigentümlich ist, das
ist jener enge Zusammenhang seines
Charakters mit seinem Wissenschaft-
lichen Streben, welchen er der Sokratischen Schule zu verdanken hat. Die sitt-
liche Vollendung seines Lebens wurzelt in der Klarheit seines Erkennens;
das Licht der Wissenschaft ist es, welches in seiner Seele die Nebel zerstreut
und jene olympische Heiterkeit hervorbringt, deren Hauch uns aus seinen
Schriften so erquickend entgegenströmt. Platon ist eine apollinische Natur und
es ist ein treffendes Zeugnis für den Eindruck, den seine Persönlichkeit und
seine Schriften auf die Nachwelt hervorbrachten, wenn ihn ähnlich wie Pytha-
goras mancherlei Sagen in die innigste Verbindung mit Gott setzen, der in der
lichten Klarheit seines Wesens für die Griechen das Urbild der sittlichen Schön-
heit, des Maßes und der Harmonie ist.
Platon.