Full text: Deutsche Geschichte (Teil 3)

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Schüler zur Verteilung gelangten. Nun wurde er, der nach altem Brauch 
mit dem zehnten Lebensjahr zum Offizier ernannt worden war, in die Garde 
eingereiht. Täglich versah er seinen Dienst wie jeder andre Leutnant. Bald 
konnte er in Gegenwart seines Vaters die Prüfung in den mili- 
tärischen Wissenschaften ablegen und erhielt das Zeugnis „vorzüglich." 
Mit zwanzig Jahren rückte der Prinz zum Hauptmann, später zum Major, 
dann zum Obersten und schließlich zum General auf. 
2. Seine Vermählung und sein Familienleben. Nachdem der Prinz 
zur Vollendung seiner Ausbildung noch zwei Jahre auf der Hochschule zu 
Bonn geweilt hatte, vermählte er sich am 27. Februar 1881 mit der 
Prinzessin Auguste Viktoria von Schleswig-Holstein-Sonder - 
bürg-Augusteuburg, nnsrer jetzigen Kaiserin. Sie ist am 22. Ok- 
tober 1858 geboren und verlebte die Jugendjahre größtenteils auf dem 
väterlichen Schlosse Primkeuau in "Niederschlesien. Ihr Vater, Herzog 
Friedrich Christian, war jener Fürst, der 1866 von Österreich für den 
Thron von Schleswig-Holstein ausersehen war. Als er 1880 zu Wiesbaden 
starb, nahm er die frohe Hoffnung mit ins Grab, daß seine Tochter dereinst 
Deutsche Kaiserin werden würde. Am 6. Mai 1882 wurde dem glücklichen 
Paare ein Sohn geboren. Da herrschte großer Jubel in der kaiserlichen 
Familie und im ganzen Lande. „Vier Kaiser!" rief der Urgroßvater 
Kaiser Wilhelm hocherfreut aus. Der kleine Prinz erhielt den Namen Wil- 
Helm und ist heute der Kronprinz des Deutschen Reiches und von Preußen. 
Außer ihm hat der Kaiser noch fünf Söhne, die Prinzen Eitel Friedrich, 
Adalbert, August Wilhelm, Oskar, Joachim, und eine Tochter, die Prinzessin 
Viktoria Luise. 
3. Der Regierungsantritt Wilhelms II. Die hervorragendsten Be* 
amten führten den Prinzen in alle Geschäfte der Verwaltung des 
großen Landes ein. Der größte Staatsmann seiner Zeit, Fürst Bismarck, 
lehrte ihn, wie die wichtigen Verhandlungen mit den fremden Staaten zu 
geschehen haben. Früher, als er und alle Welt dachte, mußte er sein hohes 
Amt antreten: am 15. Juni 1888 berief ihn der Tod seines Vaters auf 
den Thron. Zwar war er noch jung an Jahren, aber die harten Schick- 
salsschläge hatten ihn zum gesetzten und ernsten Manne gereift. Schon seit 
seinen ersten kaiserlichen Kundgebungen blickte das deutsche Volk mit Liebe 
und Vertrauen zu ihm auf. In dem „Aufruf an Mein Volk" sagte 
er: „Ich habe Gott gelobt, nach dem Beispiele Meiner Väter Meinem 
Volke ein gerechter und milder Fürst zu sein, Frömmigkeit und Gottesfurcht 
zu pflegen, den Frieden zu schirmen, die Wohlfahrt des Landes zu fördern, 
den Armen und Bedrängten ein Helfer, dem Rechte ein Wächter zu sein." 
4. Der Friedenskaiser. Von vielen wurde der junge, tatkräftige Herr- 
scher für kriegslustig gehalten. Daraufhin sprach er schon in der ersten 
Thronrede: „Ich bin entschlossen, Frieden zu halten mit jedermann, soviel 
an Mir liegt." Das Bündnis mit Österreich und Italien hat unser Kaiser 
wiederholt verlängert. Kurz nach seinem Regierungsantritt stattete er den 
Herrschern dieser Länder Besuche ab. Auch den Kaiser von Rußland, die 
Könige von Schweden und von Dänemark, die Königin von England und 
den König von Griechenland, ja sogar den Sultan der Türkei begrüßte er
	        
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