Bürgerschaft. Handelsleben.
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besetzen, d. h. aus ihrer Mitte den Schöppenmeister und die geschworenen Schoppen
zu Richtern wählen.
Mittelalterliche Justiz. Hatte eine Stadt das Recht erworben, über Leben und Tod
zu richten, so stellte sie als Wahrzeichen dieses Hechts (des „Blutbannes") die Rotlands-
säule („Rolandssäule") auf. Grausam war das Untersuchungsverfahren (die Folter!), und
grausam waren die Strafen „an Leib und Leben" (verstümmeln, Blenden, Stäupen, —
(Enthaupten, Henken, Rädern, vierteilen usw.) (T. VII, 34).
TTIan war damals überzeugt, daß Gott selbst durch Wundertaten die Unschuld eines
Angeklagten ans Licht bringe; dies nannte man ein Gottesurteil. „Zu tDitterberg
im Lande Mecklenburg war ein ITCann beschuldigt, daß er sollte etliche Häuser angesteckt
haben. (Er verneinte solches und vermaß sich auf feine Unschuld, daß er ein glühendes
Eisen tragen wollte. (Es ward ihm in die Hand getan, und er trug es ohne Schreien
(Ein Jahr darnach fand einer das (Eisen im Sande und verbrannte sich die Hand daran...
(Der Vogt) ward eingedenk der vorigen Geschichte und ließ den Kerl antasten. Der be¬
kannte, daß er die Häuser angesteckt hatte, und ward aufs Rad gesetzt." (Lübecksche Chronik.)
Geschlechter und Zünfte. Bürgermeister und Ratmannen, Schöppenmeifter und
Geschworene wurden anfangs nur aus den ältesten, wohlhabendsten und angesehen-
sten Familien, den Geschlechtern, gewählt. Diese waren oft adeliger Herkunft.
Ihnen gesellten sich allmählich reiche Kaufmannsfamilien zu. Mehrere Jahrhunderte
hat sich das Regiment der Geschlechter in den Städten behauptet. Rls aber
durch Einwanderung die Bürgerschaft beständig wuchs und das Zunftwesen auf-
blühte, erzwangen sich auch die Neu bürg er Anteil am Stadtregiment. (Es kam zu
heftigen Kämpfen, oft zu förmlichen Bürgerkriegen; fast überall verloren die Ge-
schlechter ihre Vorrechte. — $ür alle Bürger derselben Stadt wurde ein
gleiches Hecht geschaffen, und schon damit war etwas Großes erreicht.
Einzelne Städte verstanden ihr Verwaltung?- und Rechtswesen so trefflich zu
ordnen, daß sie den Städten eines ganzen Landstriches als Muster dienen konnten.
So ließen sich die brandenburgischen und schlesischen Städte, ja die im ganzen früher
flämischen (Dsten von dem berühmten Schöppenftuhl in Magdeburg „zu Recht
weisen".
Handelsleben.
Deutscher Außenhandel im Mittelalter. Um die Mitte des 14. Jahrhunderts
begann der Handel mit außerdeutschen Ländern mächtig aufzublühen; erst jetzt war
dies denkbar, seitdem sich auch in Deutschland das Geld als Verkehrsmittel völlig
eingebürgert hatte. Der Handel der süddeutschen Städte über Italien mit dem Morgen-
lande und derjenige der Hansa mit den Ostseeländern und mit England war immer
ausgedehnter geworden.
Aus dem Morgenlande wurden „importiert": kostbare Gewebe (Samt, Seide, Brokat),
Edelsteine und Perlen und verschiedene Gewürze, aus (England: Metalle (Zinn, Blei, Kupfer),
Wolle, grobe Tuche, Leder und Bier (Hie), aus den Nordländern: Fische (Heringe, Dorrfische),
Pelzwerk, Pferde, (Ebelfalten, Speck, Wachs. (Einfuhrhandel).
Aus Deutschland hingegen wurden „exportiert": Getreide, Rheinwein und Bier,
Bernstein und Salz, Leinwand und Tuch. (Ausfuhrhandel.)