'-4 Kaiser Wilhelm I.
sehr zu Herzen. Er trat zu ihr heran und liebkoste sie. Tiefcrgriffen
setzte sie ihm den Kranz auf das Haupt. Von der Zeit au bis in sein
hohes Alter hinauf blieb die Kornblume Wilhelms Lieblingsblume. In
ihr fah er die Thränen der treusten aller Mütter erglänzen.
Da die Franzosen über die Oder und Weichsel drangen, wurde die
am Nerveufieber schwer erkraukte Königin in einen Wagen getragen
und im fürchterlichsten Schneegestöber und in der heftigsten Kälte nach
Memel gebracht. Anch Prinz Wilhelm lag an dieser Krankheit dar¬
nieder. Nun kamen die unheilbringenden Tage von Tilsit. Napoleon
nahm Friedrich Wilhelm die Hälfte feiner Länder, und der Rest des
Vaterlandes mußte eine hohe Kriegssteuer bezahlen, bis zu deren Er¬
legung die Franzosen die preußische Hauptstadt besetzt hielten. Erst 1809
konnte die königliche Familie nach Berlin zurückkehren. Die Stadt war
voller Jubel uud schickte ihrer heißgeliebten Königin einen prachtvollen
Wagen entgegen.
Im Frühjahr 1810 fandte Luise einen herrlichen Brief an ihren
Vater. Sie schrieb darin: „Mit uns ist es aus. wenn auch nicht für
immer. Für mein Leben hoffe ich nichts mehr, ich habe mich ergeben.
Es wird immer klarer, daß alles so kommen mußte. Die göttliche
Vorsehung leitet unverkennbar neue Weltzustände ein. Wir find ein¬
geschlafen auf den Sortieren Friedrichs des Großen." Ihre scharfe
Beobachtungsgabe kennzeichnen die Worte des Briefes: „Unser Sohn
Wilhelm wird, wenn mich nicht alles trügt, wie sein Vater: einfach,
bieder, verständig.
Der schwerste Schlag für das Königshaus war der Tod der edlen
Königin Luise. Um Stärkung zu finden, reiste die hohe Frau zu ihrem
Vater nach dem Schlosse Hohenzieritz. Aber die furchtbaren Seelen¬
leiden der letzten Jahre hatten ihre zarte Gesundheit aufgerieben. Sie
starb ant 19. Juli 1810, tiefbeweint von ihrem Gemahl, ihren Kindern
und dem ganzen Lande.
c) Wie Prinz Wilhelm die Feuertaufe empfängt. Prinz Wil¬
helm fehnte den Augenblick herbei, wo es in den heiligen Kampf gegen
Frankreich ging. Allein feine Gesundheit war nicht derart, daß er bei
Beginn der Freiheitskriege an den Waffenthatcn teilnehmen durfte.
Nach der Schlacht bei Leipzig erfreute ihn sein königlicher Vater
mit der Nachricht, daß er ihn mit ins Feld nehmen wolle. Nun
begleitete der Prinz den König durch den ganzen Feldzug 1814.
Ein Oberst hatte ihm die Vorkommnisse des Kriegslebeus zu erklären.
Bei Bar-fnr-Aube (Barfürob) 27. Februar 1814 befand sich
Prinz Wilhelm mitten in dem Getümmel der Schlacht. Rechts und
links schlugen die feindlichen Kugeln ein. Am meisten entspann sich
ein hartnäckiger Kampf in der Nähe der von Franzosen besetzten Wein¬
berge. „Reite einmal hin," sagte der König zu Prinz Wilhelm, „und
erkundige dich, von welchem Regiment die vielen Verwundeten kommen."
Sofort sprengte der Prinz in den dichtesten Kugelregen hinein, erkundigte