Full text: Die Neubildung der europäischen Kulturwelt durch Christentum und Germanentum (Hauptteil 2)

Die weitere Entwicklung der karolingischen Teilreiche. Die Normannen. 43 
Sittlichkeit. Doch blieben die Kirche und besonders die Klöster Stütz- 
punkte geistigen und sittlichen Lebens. 
Auch finden sich in Deutschland Anfänge dichterischer Tätigkeit in deutscher 
Sprache. Das Wessobrunner Gebet und das Gedicht Muspilli (Welt- 
brand), beide in altbayerischer Mundart, schildern das eine die Weltschöpfung, * 
das andere den Weltuntergang. Der Heliand und der Krist, sog. Evangelien- 
Harmonien, erzählen das Leben des Heilands, ersterer in sächsischer, letzterer in 
fränkischer Mundart. Das Ludwigslied (in fränkischer Mundart) ist auf den 
Sieg eines westfränkischen Königs Ludwig über die Normannen gedichtet. 
Die wichtigsten Erscheinungen in den auherfränkischen 
Ländern. 
1. Die Normannen. 
Um dieselbe Zeit etwa, als die Wanderung der Ost- und der West- 
germanen ihren Abschluß fand, begann die Ausbreitung der Nordger- 
matten. In Skandinavien waren drei Reiche entstanden, Dänemark, 
Norwegen und Schweden, die unter sich in häufigen Kämpfen lagen. Die 
nämlichen Ursachen, die seinerzeit die festländischen Germanen zur Wan- 
derung veranlaßt hatten, namentlich Übervölkerung, führten nun auch 
die Skandinavier als kühne Seefahrer (Wikinger) über die Meere und be- 
wirkten in Ost-, Nordwest- und Südeuropa wichtige normannische 
Staatengründungen. 
a) In Osteuropa: Normannische Scharen, die von den osteuropäischen 
Slaven Russen (Rodsen = Ruderer, Seeleute) genannt wurden, gründeten unter 
ihrem Heerkönig Rurik das Russische Reich mit der Hauptstadt Nowgorod (süd- um 860 
östl. v. heut. St. Petersburg). Ruriks Nachkommen, die mit ihren Russen allmählich 
vollständig slavisch wurden, verlegten den Sitz der Regierung nach Kiew (in Süd¬ 
rußland). Etwa um 1000 wurde das Christentum von Byzanz aus eingeführt. 
b) In Nordwesteuropa: Schon im 9. Jahrh. verheerten normannische 
Seefahrer die englischen und irischen Küsten. Dann besiedelten sie Island, wo 
die Bewohner um 1000 das Christentum annahmen, aber in ihrer Abgeschieden¬ 
heit das altgermanische Wesen treu bewahrten. Von Island aus entdeckten die 
Normannen Grönland und gelangten auch nach Nordamerika in die Gegenden um 980 
am Lorenzstrom, die sie Winland nannten1). Unterdessen setzten die Normannen 
ihre Raubzüge nach den britischen Küsten fort. Schließlich unterwarf Wilhelm 
der Eroberer von der Normandie (also von Frankreich) aus durch seinen Sieg 
bei Hastings über den letzten angelsächsischen König England und behauptete 1066 
es dauernd. 
c) In Südeuropa: Ebenfalls von der französischen Nomtaudie aus faßten 
die Normannen auch festen Fuß in Süditalien. Sie gründeten dort mit Zu¬ 
stimmung des Papstes mehrere Herrschaften (Apulien, Sizilien, Capua, Neapel um 1000 
u. a.) als päpstliche Lehen. Später vereinigten sie diese zu einem Königreich beider 1130 
Sizilien (unter päpstlicher Sehenshoheit) und beherrschten so ganz Süditalien. 
x) Da die Schiffahrtsverbindungen mit diesen Gebieten sich nicht lohnten, hörten 
sie im 14. Jahrh. auf und Winland kam nach und nach ganz in Vergessenheit.
	        
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