Full text: Bilder aus der vaterländischen, besonders der brandenburgisch-preußischen Geschichte (Vorstufe)

-- 295 — 
biente wenigstens meine Jugend und meine Un- 
crfahrenheit Entschuldigung. 
Man fürchtete, es möchte die Ocffentlichkeit ihrer Hin¬ 
richtung einen zu starken Eindruck auf das Volk machen. 
Es war daher befohlen, das Blutgerüst innerhalb des 
Towers auf einem Rasenplatze vor dem sogenannten weißen 
Thurm zu errichten. Sie bekannte sich zur protestantischen 
Religion; man hatte ihr aber einen katholischen Geistlichen 
gegeben, der nicht von ihrer Seite wich. Ihr Gebetbuch 
in der Hand, achtete sie wenig auf seine Zusprache, doch 
dankte sie ihm am Ende sehr freundlich für seine theilneh- 
mende Güte, mit dem Wunsche, daß ihn Gott erleuchten 
wolle, die Wahrheit zu erkennen. In einer kurzen Rede 
bereute sie nochmals die übereilte Annahme der Krone, 
nach der sich ihr Herz nie gesehnt habe, und demüthigte 
sich vor Gott, der sie durch Leiden der Anhänglichkeit an 
das Irdische habe entreißen wollen. Ich bin nicht frei ge¬ 
wesen, fügte sE noch hinzu,' von Eitelkeit Und Wohlgefallen 
an irdischer Lust; aber durch mein Schicksal habe ich Zeit gewon¬ 
nen, meine Fehler zu erkennen und Frieden mit Gott zu machen. 
Uebrigens, fuhr sie fort, nehme ich Sie, Mylords, und 
alle hier Versammelten zu Zeugen, daß ich als eine evan¬ 
gelische Christin sterbe, und nicht auf meine Werke, sondern 
nur auf Gottes Gnade und das Verdienst Jesu Christi 
rechne. — Laut sprach sie noch das Gebet des ein und 
fünfzigsten Psalms Davids. 
Hierauf schnürte sie sich selbst, die angebotene Hülfe 
des Nachrichters ablehnend, das Oberkleid auf, ließ sich 
von ihren treuen Dienerinnen weiter entkleiden und schenkte 
ihnen Halstuch und Handschuhe zum Andenken. Kniend 
lag der Nachrichter vor ihren Füßen und bat sie um Ver¬ 
zeihung; sie aber antwortete ihm freundlich und ersuchte 
ihn, nur schnell mit ihr zu enden. Als man ihr das Tuch
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.