Full text: Lehrbuch der Geschichte für Mittelschulen

Der Dreißigjährige Krieg. Friedrich V. Ferdinand II. 209 
reich und Ungarn wollten die Gelegenheit des Thronwechsels benutzen, 
um auch für sich eine Art Majestätsbrief zu erzwingen. Da Ferdi- 
nand sich weigerte, kam es in beiden Ländern zu Empörungen, welche 
die Aufständischen bis vor Wien führten. Diese mißliche Lage des Thron- 
folgers ermutigte nun die böhmischen Nichtkatholiken zu einem gewagten 
Schritt; sie erklärten Ferdinand für abgesetzt und wählten das 
Haupt der Union, Kurfürst Iriedrich Y. von der Pfalz, zum König. 
Das erwies sich jedoch als äußerst verhängnisvoll. 
Denn das war offener Aufruhr der Untertanen gegen ihren an- 
gestammten rechtmäßigen Herrn. Es ist ein großer Unterschied, ob die Stände 
eines Landes mit ihrem Landesherrn um diese oder jene Rechte stritten, 
oder ob sie ihn absetzten und einen Fremden wählten. In den 
ständischen Kämpfen jener Zeit erklärten sich die Gegner des Fürsten 
immer nur als „Sr. Majestät (oder Hoheit) allergetreueste Opposition". 
Sogar die aufständischen Niederländer (Geusen) hatten im Kampf gegen 
ihren Landesherrn Philipp II. von Spanien den Wahlspruch angenommen: 
„Getreu dem König bis zum Bettelsack", und hier wollte ein Volk seinen 
legitimen König absetzen, weil er „vielleicht" den Majestätsbrief nicht 
anerkennen werde. (Tatsächlich hat ihn Ferdinand in denjenigen Gebieten, die 
sich dem Aufstande nicht anschlössen, hauptfächlich schlesischen, aufrechter¬ 
halten, während er sich natürlich den Böhmen gegenüber durch die statt- 
gehabte Empörung seines Wortes für entbunden hielt.) 
Aber selbst wenn man von der Frage „Recht oder Unrecht" bei der 
hochgradigen Erbitterung absehen wollte, so war die Absetzung eines recht- 
mäßigen Landesherrn durch seine Untertanen auch eine unsagbare Torheit. 
Denn welcher Fürst konnte diese Absetzung offen unterstützen? In ganz 
Europa, von Spanien bis Rußland, von England bis Ungarn, ruhte die 
Monarchie, die gerade damals säst überall dem Absolutismus zu- 
steuerte, auf dem legitimen Erbrecht. Deshalb rieten auch alle ver¬ 
wandten Höfe dem Pfälzer Kurfürsten von der Annahme der unrechtmäßigen 
Krone ab, zumal die Böhmen selbst unter sich nichts weniger als einig waren. 
Katholiken, Lutheraner und Calvinisten befehdeten einander aufs 
heftigste. Trotzdem wurde Friedrich durch seine ehrgeizige Gemahlin zur 
Annahme der verhängnisvollen Krone bewogen. 
Dem gegenüber entwickelte Ferdinand Klugheit und Tatkraft. Zu- 
nächst ließ er sich zum Kaiser wählen als 
Aerdinand II. (1619—1637). Dann schloß er mit seinem Vetter 
und Jugendfreund Maximilian von Bayern als Haupt der Liga einen 
Vertrag, worin er ihm die seit der Goldenen Bulle entzogene Kur- 
würde sowie die Oberpfalz in Aussicht stellte. Anderseits konnten 
sich weder die Union noch England oder Schweden dazu entschließen, 
aufrührerische Untertanen gegen ihren rechtmäßigen Landesherrn zu unter- 
stützen. So kam es, wie es kommen mußte. Max unterwarf mit dem 
ligistischen Heer Österreich und besiegte dann mit leichter Mühe die unter 
Lorenz, Lehrbuch. 14
	        
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