Friedrich der Große,
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Schrift bekam Friedrich wenig zu spüren, und es war deshalb fem
Wunder, daß ihm der Religionsunterricht zuwider wurde. Auch die
Jagden / die Spaße des Tabakskollegiums, sowie das straffe Soldaten-
Wesen besriedigten ihn nicht; vielmehr Lust hatte er zur Musik, zum
Theater und zu den geistreichen Schriften der Franzosen, und besonders
liebte er das Flötenspiel. Alles das war aber dem Vater ein Ärgernis,
und er urteilte über seinen Sohn: „Fritz ist ein Querpseiser und Poet;
er macht sich nichts aus den Soldaten und wird mir meine ganze Arbeit
verderben." Als Friedrich heranwuchs, hatte der König oft gerechte
Ursache zur Klage: bei einem Besuche in Dresden kam der Sohn in
leichtsinnige Gesellschaft, machte Schulden und geriet auf gefährliche Ab-
Wege. In Berlin suchte er das ungebundene Leben fortzusetzen und schloß
sich besonders dem leichtsinnigen Lieutenant von Katte an. Dem
Könige war der Wandel seines Sohnes nicht verborgen. Als Friedrich
einst bei einem berühmten Flötenspieler heimlich Unterricht hatte, über-
raschte ihn der Vater; er warf den Schlafrock seines Sohnes ins Feuer,
ließ ihm die schön gepuderten Haare abschneiden und schickte seine Noten
an den Buchhändler'zurück. Durch solche Vorfälle na hm die Mißstimmung
des Vaters zu; er schalt den Kronprinzen nicht selten in Gegenwart der
Dienerschaft und drohte ihm mit dem Stock. Da faßte Friedrich den
Gedanken an eine Flucht. Der König erfuhr die Absicht seines Sohnes,
als er mit demselben nach Sachsen gereist war, um dort an einem
großen Lustlager teilzunehmen. Hier strafte er den Prinzen öffentlich Und
sprach dabei' er würde sich, hätte sein Vater ihn ebenso behandelt,
totgeschossen haben; Friedrich dagegen lasse sich alles gefallen! Diese
Behandlung bestärkte den Kronprinzen in seinem Entschluß zu fliehen.
b. Fluchtversuch, Strafe und Versöhnung. Friedrich wollte feine
Flucht bewerkstelligen, als er seinen Vater auf einer Reise nach Süd-
deutschend begleiten mußte. Der König übernachtete mit seinem Gefolge
in einigen Scheunen; der Kronprinz erhob sich vor Tagesanbruch leise
von seinem Lager und schlich hinaus. Aber ein wachthabender Kammer-
diener hatte ihn bemerkt ; als Friedrich eben ein Pferd besteigen wollte,
ward er von Offizieren zurückgehalten und verhaftet. Der König war
aufs höchste erzürnt; er zog den Degen, um den Prinzen zu durchbohren;
ein General aber warf sich zwischen beide und rief: „Durchbohren Sie
mich, aber schonen Sie Ihres Sohnes."
Friedrich wurde als Gefangener auf das Schloß zu Küstrin ge-
bracht. Auf Befehl des Königs wurde die Thür seines Gefängnisses mit
zwei großen Vorhängeschlössern versichert und täglich nur dreimal geöffnet.
Die ausschließenden Offiziere sollten kein Wort mit Friedrich sprechen und
ihm bei Todesstrafe auf keine Frage antworten. Er sollte weder Messer