Der Freiheitskrieg von 1815. 169
Nacht!" Um 4 Uhr hörte er fernen Kanonendonner. „Das ist der
alte Blücher!" rief er freudig. Und Blücher war es und hatte den Feind
schon im Rücken angegriffen. Wohl fochten die Franzosen tapfer, be-
sonders die Garde; aber aller Widerstand war vergeblich. Bald artete
ihr Rückzug in wilde Flucht aus.
Bei völliger Dunkelheit trafen sich die beiden Feldherren. Wellington sprach:
„Ich werde heute Nacht in Bonapartes gestrigem Quartiere schlafen," worauf
Blücher erwiderte: „Ich werde ihn noch in dieser Nacht aus seinem heutigen ver-
treiben!" Gneisenau redete die Truppen an: „Wie man siegt, haben wir gezeigt;
nun wollen wir noch zeigen, wie man verfolgen kann." Um 11 Uhr stieß der
Vortrab auf den Feind, der nach kurzer, vergeblicher Verteidigung weiter floh.
Die Preußen machten unermeßliche Beute; auch Napoleons Hut, Degen und
Diamanten fielen ihnen in die Hände. Auf das Geschrei: „Die Preußen sind
da!" hatte sich der Kaiser aufs Pferd geworfen und das Weite gesucht.
d. Zug nach Paris; Friede. Schon elf Tage nach der Schlacht
standen Preußen und Engländer zum zweitenmal vor Paris. Abermals
setzten die Fürsten Napoleon ab, und die Preußen rückten in Paris ein.
Im zweiten Pariser Frieden brauchte Frankreich nur kleine
Striche abzutreten, an Preußen Saarlouis und Saarbrücken;
alle geraubten Kunstschätze mußte es zurückgeben, 700 Mill. Frank Kriegs¬
entschädigungen zahlen und 5 Jahre lang ein Bundesheer von 150000
Mann in seinen Grenzfestungen ernähren. Vergebens forderte das
deutsche Volk, Elsaß und Lothringen solle Frankreich wieder abgenommen
werden; die fremden Fürsten waren dagegen. Nachdem Napoleon ver-
geblich versucht hatte, nach Amerika zu entkommen, übergab er stch den
Engländern. Diese brachten ihn nach der im fernen Ocean, westlich
von Süd-Afrika liegenden Insel St. Helena und bewachten ihn sehr
scharf. Er behielt nur den Titel „General Bonaparte;" doch dursten
einige Generale, wie Bertrand, ihn begleiten. Dort hatte er Zeit, über
sein Leben nachzudenken: er hatte in 20 Jahren 3 Mill. Soldaten aller
Völker töten oder verstümmeln lassen! Er starb 1821; seine irdischen
Überreste wurden später nach Paris gebracht.
e. Der Wiener Kongreß hatte seine Arbeiten bereits vor der Schlacht
bei Waterloo beendet. Ostreich erhielt Tirol und Salzburg zurück,
dazu Dalmatien und Lombardei-Venedig; es verlor seine niederländischen
Provinzen. Aus der Vereinigung sämtlicher niederländischen Provinzen
bildete man das Königreich der Niederlande. Schweden erhielt
Norwegen, Bayern die Rheinpfalz; Hannover ward zum Königreich
erhoben und erhielt Ostfriesland, Hildesheim, Goslar, Lingen, Meppen
und die Grafschaft Bentheim. Preußen verlor Ostfriesland, Hildes-
heim, Goslar und Lingen an Hannover, Ansbach und Baireuth an