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Seine Jugend fiel in die traurigste Zeit Deutschlands und war für ihn,
den Sohn eines Prinzen, der damals Oberst eines französischen
Regiments war, eine Schule des Ringens und Leidens. Sie erzeugte
aber in ihm jene echtdeutsche Gesinnung, welche er selbst dem Welt-
gebieter Napoleon gegenüber, vor dem sich alles zitternd beugte,
nicht verleugnete und in den Befreiungskriegen durch persönliche
Tapferkeit bewährte.
Mit einer außerordentlichen Umsicht und Thätigkeit widmete sich
' Ludwig I. den Regierungsaufgaben und schenkte allen Zweigen des
Staatslebens eine bis ins einzelne gehende Aufmerksamkeit. Vor
allem suchte er das ins Schwanken geratene Gleichgewicht zwischen den
Einnahmen und Ausgaben des Staates wieder herzustellen. Zu diesem
Zwecke hob er alle einigermaßen entbehrlichen Stellen und Ämter auf
und machte Sparsamkeit und Vereinfachung zum leitenden Grund-
gedanken der Staatsverwaltung, wie seiner Hofhaltung. Reiche Mittel
flössen ihm dadurch für die Pflege der Wissenschaft, Kunst und Wohl-
thätigkeit.
Zu den wichtigsten Regierungshandlungen Ludwigs gehört die
Einführung des in der Rheinpfalz schon bestehenden Landrates in
den sieben Kreisen diesseit des Rheins (1829). Dadurch wurde den
einzelnen Kreisen eine größere Selbständigkeit gewährt und eine große
Lücke in der Teilnahme des Bürgers an den öffentlichen Angelegen-
Helten und in der Überwachung der Verwaltung ausgefüllt.
Die Landräte sind die gewählten Vertreter der unmittelbaren
Städte, der Distrikts gemeinden, des großen Grnndbe-
sitz es, der katholischen und protestantischen Geistlichkeit (wirk-
lichen Pfarrer) und der Universitäten. Sie versammeln sich
alljährlich am Sitze der Kreisregierungen, beraten die Angelegen-
Heilen des Kreises in Bezug auf Industrie, Kultur, Schulen,
Straßen- und Wasserbauten 2c., bestimmen die Höhe der Kreis-
lasten, die Verwendung der Kreisfonds 2c., und bringen Anträge,
Wünsche und Bitten an den Thron. Die Zahl der Landräte regelt
sich nach der Größe des Kreises.
Zur Hebung der Industrie und Landwirtschaft, zur Förderung
und Belehung des Handels und Verkehrs traf Ludwig zahlreiche und
eingreifende Maßregeln. Es wurden (1833) technische Lehrettt-
stalten (3 polytechnische Schulen und gegen 30 Landwirtschafts-und
Gewerbschulen) errichtet. An dem Zustandekommen des „deutschen
Zollvereins" —- (aus der Vereinigung eines süddeutschen, mittel-
deutschen und preußischen Zollbuudes) — 1834, dem bald (1838)
eine Münzeinigung unter den Zollvereinsstaaten (allen deutschen
Ländern mit Ausnahme Österreichs, Liechtensteins, Mecklenburgs,
Holsteins und der drei Hansestädte) folgte, hat König Ludwig ein
Hauptverdienst. Die Erbauung von Eisenbahnen (die erste deutsche
Bahn zwischen Nürnberg und Fürth 1835), Errichtung einer Dampf¬
schiffahrt auf derDouau, Verbesserung des Postwesens, der
Bau des Ludwig-Do uau-Main-Kanales (1836—1845) wirkten
belebend auf den Verkehr. Die Errichtung einer Hypotheken- und
Zitzlsperger, Bayerische Geschichte. 10. Aufl. 14