A. Haus und heim — des Mannes Ehr' und Wehr 
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5. Die langen Kbende. 
vor den langen Abenden im herbst und Winter graut nur, wem sie 
kalt und lichtlos sind, wer am warmen herdfeuer sitzt, im sonnigen 
Glanze echten Familienlebens, der sehnt sie herbei, weil sie die schön¬ 
sten Seelenbande wieder fester knüpfen, weil sie ihn den Seinen näher 
bringen, weil sie sein herz mehr durchleuchten und durchwärmen, als es 
Sonne und Sommer vermag. Freilich ist in manchen Häusern das heilige 
herdfeuer schier erloschen, so daß die draußen herrschende Rühle auch 
drinnen zu walten scheint. Kn Stelle des vom traulichen, lichten Lam¬ 
penschein friedumhegten Familienlebens brennt in vielen Häusern das 
mühsam schwelende und trübselig flackernde Stümpfchen fader, heim¬ 
flüchtiger Geselligkeit. Rein Wunder, daß in solchen Häusern die langen 
Abende lähmend und leblos und langweilig sind! Den unglücklichen Toren, 
die für das lautere Gold des Familienlebens das Talmi nirgends heimischer 
Allerweltsgeselligkeit eintauschen, ist nicht zu helfen. Sie gleichen denen, die 
ihre schönsten Schätze vergraben und ihres besten Besitzes sich entäußern. 
Ts gibt aber andre, die auch den langen Abenden bange entgegen¬ 
sehen, die so gern am herdfeuer sich wärmen und im Lichte des Familien¬ 
lebens sich sonnen möchten, es aber nicht können, weil sie heimfern am 
fremden Herde und unter fremden Leuten weilen müssen. Ihnen über die 
langen Abende hinwegzuhelfen, ist die Pflicht jedes Hausherrn, jeder 
Hausfrau. Es bleibt immer das Schönste und das Natürlichste, wenn 
alles, was zum Gesinde, zum Hause und Hofe gehört, auch im Familien¬ 
zimmer und am Familientische sein Recht und seine Stätte haben kann, 
wo das noch einigermaßen möglich ist, da möge man mit der alten 
schönen Sitte nicht brechen! Man fährt wahrhaftig nicht schlecht dabei. 
Vas Gesinde, das am Herde seine Heimstatt hat, das wurzelt im Haufe, 
das lebt und webt mit ihm, das kennt kein andres Wohl als das 
gemeinsame der ganzen Hausgemeinde. 
Leider liegen abev'die Dinge vielfach so, daß diese natürlichen Zu¬ 
stände für immer der Vergangenheit angehören. Ls läßt sich kein Ge¬ 
meinschaftsleben mehr herstellen, weil das Gemeinschaftsgefühl voll¬ 
kommen erloschen ist, und weil äußere Verhältnisse Schranken errichtet 
haben, die nicht ganz hinweggeräumt werden können, wenn aber der 
Hausherr und die Hausfrau das Gesinde nicht mehr am Herde und um 
den Tisch sammeln zu können meinen, so müssen sie mindestens dafür 
sorgen, daß die langen Abende nicht in stumpfsinnigem Lungern oder in 
zweifelhaften sogenannten Zerstreuungen hingebracht oder verludert 
werden. Fürwahr ein pflichtvergessener Hausvater, der sich nur darum 
kümmert, daß die Leute arbeiten, und was sie erhalten. Auf ihr ganzes 
seelisches Leben muß seine Sorge gerichtet sein. Im Sommer und in der 
milden Zeit des Jahres tritt solche Sorge zurück. Da gibt's zu schaffen 
und zu arbeiten, vom frühen Morgen bis zum späten Abend, so daß 
für das eigentliche Ausleben der Seele wenig Zeit bleibt. Jetzt aber 
bieten die frühen und langen Abende Zeit und Raum genug, jetzt legen 
sie die Pflicht solcher Fürsorge wieder ans herz.
	        
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