6 Die Völkerwanderung.
über die ganze Erde. — Die Christen hatten vieles Ungemach zu erleiden;
die alten Ktrchenhtstoriker berichten von 10 Verfolgungen. Die erste fand
unter dem römischen Kaiser Nero statt; er ließ einen Thei'l Roms niederbrennen,
um sich an dem Brande zu ergötzen und die Stadt dann schöner wieder auszu-
bauen. Die Schuld schob er auf die Christen, die nun auf das grausamste ver-
folgt wurden. Unter Neros Regierung wurde Paulus enthauptet und Petrus
gekreuzigt. Feinde des Christenthums waren ferner die Kaiser Domitian, Trajan,
Markus Aurelius und Diokletian.
Ignatius, ein Schüler des Johannes, war um's Jahr 100 Bischof von
Antiochien. Der sonst edle Trajan ließ ihn vor sich kommen und fuhr ihn hart
an. Ohne Furcht bekannte Ignatius seinen Glauben; er wurde in Fesseln ge-
legt, nach Rom geführt und dort den Löwen beim Kampfspiele zum Fräße vor-
geworfen.
Polykarpus, Bischof von Smyrna, starb unter dem Kaiser Markus Au-
relius auf dem Scheiterhaufen. „Polykarpus" von Herder.
Justinus wurde zu Sichern geboren; da er ausgezeichnet begabt war, ließ
ihn sein Vater von den berühmtesten Lehrern unterrichten und schickte ihn zur
weiteren Ausbildung auf Reifen. Bei aller Erkenntnis, die er sich bei verschie-
denen Weifen erworben hatte, fand er die Ruhe der Seele nicht, nach der er ver-
langte. Da begegnete er einst am Meeresstrande einem ehrwürdigen Greise, der
ihn auf den Heiland hinwies. Justin wurde Christ und ein eifriger VertheiMger
des Christenthums, wodurch er sich den Haß der Ungläubigen zuzog. Mit
mehreren andern ipurde er in's Gefängnis geworfen und sodann enthauptet,
163 nach Christo.
8. Konstantin der Grosze hatte lange Jahre gegen seine Mitkaiser zu
kämpfen. Heber der untergehenden Sonne erschien ihm einst ein Kreuz mit der
Aufschrift- „Durch dieses wirst du siegen!" Alle erstaunten. In der darauf¬
folgenden Nacht, so erzählt die Sage weiter, erschien ihm Christus selbst mit dem
nämlichen Zeichen und befahl ihm, von jetzt an stets das Kreuz dem Heere vor-
auf tragen zu lassen. Das Kreuz führte ihn nun von Sieg zu Sieg. Konstantin
ließ sich durch christliche Lehrer unterrichten, verbot, die Christen zu verfolgen,
und erhob das Christenthum zur Staatsreligion. Im Jahre 325 berief er
die erste Kirchenversammlung nach Nicäa in Kleinasien, zu welcher 318
Bischöfe erschienen, um Unordnungen und Neuerungen, die sich in's Christen-
thum eingeschlichen hatten, zu beseitigen. Kurz vor seinem Tode empfing er die
heilige Taufe. Seine Residenz hatte er von Rom nach Byzanz verlegt, welches
durch die Lage zwischen zwei Welttheilen und zwei Meeren, sowie durch seine
anmuthige Umgebung ihm besonders als neue Hauptstadt geeignet erschien. Nun
ließ er herrliche Bauwerke aufführen, unter andern auch prächtige Kirchen, und
nannte die Stadt Konstantinopel. Seine Mutter Helena war.eine fromme und
wohlthätige Frau, die sich um die Verbreitung des Christenthums sehr verdient
gemacht hat. In ihrem 80. Jahre reiste sie nach Palästina, besuchte und be¬
schenkte die heiligen Stätten und ließ sich im Jordan taufen. Nach ihrem Tode
baute Konstantin über dem wiederaufgefundenen Grabe des Herrn eine prächtige
Kapelle, neben welcher sich auf Golgatha bald eine andere Kirche erhob.
4. 3>te Wötkerwanderung.
1. Die Hunnen, ein Volk aus Asien, erschienen um das Jahr 375 im öst¬
lichen Europa und ließen sich hier nieder. Es war ein rohes und wildes Volk
mit schwarzem, struppigem Haar, schmutziggelber Gesichtsfarbe, hervorstehenden
Backenknochen und flacher Nase. Sie Hattert einen starken untersetzten Körper
mit breiten Schultern. Von ihren Pferden waren sie unzertrennlich; sie aßen,
tranken und schliefen auf denselben. Ihre Speise waren Wurzeln und rohes
Fleisch, das sie aus dem Rücken des Pferdes mürbe ritten. Ihre Kleider aus