Full text: [Kursus 2] (Kursus 2 = (Oberstufe))

— 63 — 
und der Fürsten Ziel vereitelt? Der Kaiser ist wieder in den vollen 
Besitz der Reaierunasgewalt gekommen. Der Reichstag zu Augsburg ist 
vereitelt, der Bund zwischen Fürsten und Papst gelockert, die Fürsten aber 
sind unschädlich gemacht. So hat er den Papst durch seme Buße besiegt. 
— Und trotz dieses Erfolges lag in den Tagen von Kanossa eine 
tiefe Erniedrigung des Kaisertums. Inwiefern? Der Kaiser hat 
dadurch zugegeben, das; der Papst das Recht habe, den Kaiser abzusetzen. 
So geht Heinrich trotz seines Sieges als Besiegter aus dem Kampfe hervor. 
— Überschrift: Wie Heinrich sich durch die Buße zu Kanosia vom 
Banne befreit. ^ r . .., 
III. Wodurch die Schmach von Kanossa herbeigeführt 
wurde? 
Die Schuld trifft zunächst den Papst Gregor VII, dessen Plan 
dahin ging, die Kirche frei und selbständig, den Papst zum Herrn der 
Kirche und über Kaiser und Reich zu machen. Ehrgeiz und Herrsch- 
sucht waren die Triebfedern, die ihn dies Ziel verfolgen ließen. Dabei 
behauptete er, daß er der Stellvertreter Petri sei und daß ihm Gott die 
Macht gegeben habe, zu binden und zu lösen im Namen des dreieinigen 
Gottes, daß ihm also durch Petrus die Herrschaft über die Kirche und 
über die irdischen Reiche übertragen worden sei. Das steht aber nirgends 
in der heiligen Schrift. Herr der Kirche ist Christus, und Herr des irdischen 
Reiches ist der Kaiser. (Rom. 13, 1—2, Matth. 20. 21. lyoh. 18. 36.) 
Die Obrigkeit ist Gottes Ordnung, also kann sie keinen andern irdischen 
Herrn über sich haben, sie ist ihr eigner Herr. Also ist der Kaiser der 
Kerr des Reiches und nicht der Papst. Wie kann auch der Papst Herr 
sein auf Erden, der doch ein Mensch ist uud als solcher doch auch irrt 
und sündigt. Der Plan Gregors war also unchristlich. Bei der Aus- 
führung des Planes zeigt er sich rücksichtslos, klug, mutig. 
Schuld waren ferner die Fürsten. Die Eideslösung ist ihnen ein 
willkommener Vorwand, um durch Abfall von dem nach immer größerer 
Königsmacht strebenden König ihre bedrohten Rechte und Freiheiten sicher 
zu stellen. Durch dieses selbstsüchtige Streben ging die Einigkeit im 
Innern verloren, in dem Reiche aber die Selbständigkeit und Hoheit, die 
es von jeher neben und über dem Papsttum gehabt hatte. Anstatt mit 
dem Kaiser für die Macht und Ehre des Reiches zu sorgen, wie es ihre 
Pflicht war. sind sie dem Papst bei der Durchführung seines Planes 
behilflich. 
Endlich trägt die Schuld daran der König selbst: Er mißachtet das 
Verbot der Simonie — das war unklug; er setzt den Papst ab — das 
war hochmütig und unrecht; er bedrückt die Sachsen — das war gewalt- 
thätig; er unterschreibt den Vertrag von Tribur — das war kleinmütig; 
er verzichtet dem Papste gegenüber auf alle Ausübung königlicher Gewalt 
— das war schimpflich. 
IV. 1. Was meinte Fürst Bismarck mit dem Worte: „Nach Kanossa 
gehen wir nicht!" 
2. Inwiefern hat Gregor den Sieg davongetragen? 
3. Wie zeigt sich heute noch das Streben Roms nach Unabhängigkeit? 
Ob die deutschen Fürsten nunmehr Heinrich IV. wieder 
als ihren König und Herrn anerkennen, wie sie im 
Vertrage zu Tribur gelobt?
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.