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2. Die Deutschen bei ihrem Eintritt in die Geschichte.
hatte, als es im Anfang der christlichen Zeitrechnung am Rhein- und
Donauufer mit den Römern in Berührung kam, keine Erinnerung
s über feine Herkunft bewahrt. Die Gewährsmänner des Tacitus
erfuhren von den Germanen, sie seien Söhne dieses Bodens, Auto-
chthonen der deutschen Erde. Eine im strengen Sinne des Wortes ge¬
schichtliche Kunde, die uns weiter führen könnte, liegt nicht vor;
die einzige wissenschaftlich sichere Leuchte in diesem Dunkel frühesten
10 Altertums gibt die vergleichende Sprachkunde. Diese hat denn als
zweifellos den großen Zusammenhang des indogermanischen Völker-
kreises erhärtet, zu dem außer den Germanen, Galliern (Kelten) und
Slaven unter andern die Griechen und Lateiner, die Perser und
Inder zu rechnen sind. Ihre Verwandtschaft zeigt sich der genauern
16 Betrachtung als ursprüngliche Einheit. Die Stammväter jener Nationen
haben einst ein einziges Volk gebildet und wahrscheinlich im asiatischen
Osten zusammengewohnt. Insbesondere zeigt die altdeutsche Sprache
eine sehr nahe Verwandtschaft mit der altindischen, der Sanskrit¬
sprache, und zwar mit einer Entwicklungsstufe derselben, die etwa bis
20 zum 8. Jahrhundert vor Christus gedauert hat. Man kann hieraus die
Vermutung ableiten, daß die Germanen schon vor dieser Zeit sich
von dem Urstamm getrennt und ihre Ursitze an den Abhängen des
Himalaya verlassen haben.
Dann fehlt lange Jahrhunderte hindurch jede sichere Spur ihres
25 Daseins. Erst aus der Zeit Alexanders des Großen klingt zufällig
die Notiz eines griechischen Reisenden herüber, daß Teutonen und Goten,
also deutsche Völker, an der Ostsee wohnten. Wieder hundert Jahre
weiter und eine ebenso zufällig erhaltene Notiz belehrt uns, daß
Deutsche in vielfachem Verkehr mit den Galliern, den damaligen
30 Bewohnern Frankreichs, Süddeutschlands und Oberitaliens, gestanden
haben. Zwei Menschenalter darnach wird an der untern Donau ein
deutsches Volk, die Bastarner, als Verbündete der Mazedonier gegen
die Römer erwähnt, ohne daß es jedoch damals schon zu einem Zu¬
sammenstoß zwischen Römern und Germanen gekommen wäre. Desto
35 gewaltiger kündigte sich fünfzig Jahre später der Beginn des Welt-
kampfes an, der dann fünf Jahrhunderte erfüllen und die Geschicke
Europas bestimmen sollte.
Die Zimbern und Teutonen, diese an der Ostsee, jene auf Jüt¬
land angesessen, brachen 113 v. Chr. durch das noch immer von Gal-
40 liern bewohnte Süddeutschland hindurch gegen das römische Illyrien
vor. Sie schlugen dort ein römisches Heer, durchzogen dann Helvetien,
überschwemmten unwiderstehlich halb Gallien, besiegten hierauf wieder
drei römische Heere nacheinander, so daß der Schrecken in Rom un¬
ermeßlich war und das Volk in Klagen und Jammern eine zweite Zer-
43 störung Roms durch die Gallier befürchtete; denn noch wußten die
Römer Gallier und Deutsche nicht voneinander zu unterscheiden. Wohl