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B. Lrandenburgisch-preußische Geschichte.
sei. „Wenn nicht große Fehler begangen worden wären, so wäre Napoleon
mit allem verloren gewesen", sagte Blücher, und Gneisenan rief: „Nun müssen
wir die Entkommenen aufs neue bekämpfen. Wenn die Monarchen und Generale
in Weimar nicht eine kostbare Zeit mit Festen verloren hätten, anstatt den Truppen¬
teilen Befehle zum vorrücken zu geben, so wäre von der französischen Armee
nichts entkommen. Die Menschen verstehen wohl, einen Sieg durch Tapferkeit
zu erfechten, aber nicht, ihn zu benutzen. Man liebt es nur gar zu sehr, auf seinen
Lorbeeren zu ruhen."
Nachdem sich die Franzosen über den Rhein zurückgezogen hatten, löste sich
der Rheinbund auf. fluch Baden und Hessen vereinigten jetzt ihre Streitfräfte
mit denen der Verbündeten. Hannover, Braunschweig u. a. erhielten ihre
Regenten wieder. In den einstweilen beschlagnahmten Gebieten Sachsen, Berg
und Frankfurt a. ITT. setzten Alexander und Friedrich Wilhelm III. eine „Zentral¬
verwaltung" unter der (Oberleitung Steins ein.
Die Monarchen traten nun mit ihren Generalen zu Frankfurt a. ZIT. in Be¬
ratungen über weitere Schritte ein. Österreich wollte den Krieg in Frankreich
nicht fortsetzen und hielt einen Frieden mit dem Rhein, den Alpen und Pyrenäen
als Grenzen vorteilhafter. Der König von Preußen zauderte und befürchtete
eine Niederlage wie 1792. Nur Stein erkannte die Notwendigkeit einer gründ¬
lichen Niederwerfung Napoleons und wußte auch den Zar Alexander für seine Ansicht
zu gewinnen. Im Kaiser von Österreich hielt er die Hoffnung rege, durch Fort¬
setzung des Krieges die Schweiz und seine früheren italienischen Besitzungen wieder
zu erwerben. Und da Rußland Südpreußen mit Warschau unter allen Umständen
behalten wollte, mochte der König von Preußen wohl einsehen, daß er die frühere
Ausdehnung seines Staates nur durch (Eroberungen auf dem linken Rheinufer
erlangen könne. „Der Gedanke aber, daß Deutschland seine alten Grenzen wieder
erhalten müsse, lebte nur in Blüchers Hauptquartier und in den Herzen preußischer
Krieger."
So wurde man denn endlich einig, die Heere in Bewegung zu setzen. Blücher
überschritt in der Neujahrsnacht 1814 bei Taub den Rhein, „vorwärts soll es
gehen, dafür stehe ich Ihnen", sagte er zu Stein. Aber es ging doch nicht so schnell,
wie Blücher geglaubt hatte. Mährend Bülow die Franzosen aus Holland vertrieb
und den Erbstatthalter wieder einsetzte, drang Schwarzenberg durch die Schweiz
in Frankreich ein. Bei £a Rothiere (1. Februar 1814) wurde Napoleon von Blücher
mit österreichischer Hilfe geschlagen. Nun aber trennten sich die Verbündeten,
und sie wurden von den Franzosen zurückgedrängt, ja sie boten Napoleon einen
ehrenvollen Frieden mit den Grenzen von 1792 an, den er aber hochmütig zurück¬
wies. Da vereinigten sich Bülow und Blücher und schlugen das französische Heer
bei Laon (9. März 1814). Dann rückten sie unaufhaltsam gegen Paris vor, die
(Österreicher nach sich ziehend. Schwarzenberg schlug das französische Beobachtungs-
korps unter (Dudinot bei Bar-sur-Aube und drängte Napoleon bei Arcis-fur-Aube
zurück. Schon am 31. März hielten die Verbündeten ihren Einzug in die Haupt¬
stadt. Napoleon mußte zu Fontainebleau für sich und seine Erben auf den Thron
verzichten und wurde auf die Insel Elba verbannt. Diese schenkte man ihm mit
dem Kaisertitel und einer jährlichen Rente von 2 Mill. Franken.
3m ersten pariser Frieden vom 30. Mai 1814 erhielt Frankreich die Grenzen
von 1792; der Bruder des unglücklichen Ludwig XVI. bestieg als Ludwig XVIII.
den Thron (als Ludwig XVII. zählte der als Kind verstorbene Sohn Ludwigs XVI.).
Leider ließen die Verbündeten alle geraubten Schätze in Frankreich.