Full text: Geschichte der Neuzeit (Teil 3)

Auftreten Luthers. 
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zuerst in 4000 Exemplaren verbreitet, war im Nu vergriffen und ward in 
neuen Auflagen und Nachdrucken allenthalben gelesen. Dem „Trompetensignal 
zum Angriff" — so nannte Lang, Luthers Freund, die Schrift — folgten 
im Oktober das Buch „Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche" 
und die mit einer, wie Bezold sagt, „im Tone mitleidiger Überlegenheit" 
gehaltenen Widmung an den Papst versehene Schrift „Von der Freiheit eines 
Christenmenschen". In diesen Veröffentlichungen verwarf Luther die ganze 
bisherige Kirchenordnung, den Kultus der Kirche, die Transsubstantiation, 
Ablaß, Fasten, Wallfahrt, Bann, Cölibat, die Messe, das besondere Priestertum, 
die Lehre von den sieben Sakramenten — es bleiben Taufe, Buße, Abend- 
mahl — und gab in der letztgenannten Schrift die positive Darlegung 
seiner Lehre von der Freiheit durch den Glauben. Der litte- 
rarische Bund mit dem humanistischen adeligen Stürmer ist unverkennbar in 
den maßlosen Ausfällen gegen die Hierarchie und in den Wünschen, Rat- 
schlagen und Forderungen, die Luther bezüglich der Aufhebung der weltlichen 
Macht des Papsttums und der Umgestaltung auf kirchlichem Gebiete aus- 
sprach. Die Verbrüderung war bildlich zur Darstellung gebracht auf dem 
Titelblatt zu Huttens Gesprächbüchlein „Vadiscus" und „Die Anschauenden". 
Sick in gen hielt mit der Gewalt noch zurück; aber die in jenen Flug- 
schriften vorgetragenen Reformideen drohten — wie tiefer blickende Gegner, 
Emser und Murner, warnend vorhersagten — auch die bestehende gesell- 
schaftliche und wirtschaftliche Ordnung zu zerrütten und vermehrten den schon 
glimmenden Zündstoff der socialen Revolution (II, 355). Der von 
Hutten geforderte Pfaffenkrieg mußte eine allgemeine Umwälzung hervor- 
rufen. Hier war nicht, wie bei Luther, Reduktion der Kurie auf den hun- 
dertsten Teil verlangt, sondern Säkularisation der geistlichen Güter. Adel, 
Städte und Bauern, kurz, alle Stände der deutschen Nation wurden hier auf 
leichte Beute gewiesen. „Niemals", sagt der genannte Geschichtschreiber, „ist 
die Revolution aufreizender, feuriger, erbarmungsloser gepredigt worden." 
Dem gemeinen Volke, welches gegen die besitzenden Klaffen, den reichen und 
üppig lebenden Klerus wie die weltlichen Kapitalisten aufgereizt wurde, konnte 
die geduldete Ausnahme, daß die Domstifte als Versorgungsanstalten für den 
besitzlosen Adelsnachwuchs fortbestehen sollten, ebensowenig gerecht als folge- 
richtig erscheinen. Mochten die angegriffenen Juristen tatsächlich Nequisten 
und Jgnoristen sein, zur Sicherung des Rechtszustandes konnte die Herab- 
setzung des ohnehin genug angefeindeten Standes nicht dienen. Die leiden- 
schaftlichen Ergüsse über fürstliche Gegner des Reformationswerkes, wie Herzog 
Georg, Heinrich von Braunschweig, ja den Kaiser, standen im schroffsten 
Widerspruch zu der in andern Schriften ausgesprochenen Mahnung zum Ge- 
horsam gegen die Obrigkeit und erschütterten die Achtung des gemeinen Mannes
	        
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