Full text: Geschichte der Neuzeit (Teil 3)

410 Zeitalter der Kämpfe um bürgerliche und nationale Freiheit. 
Wendung der Dinge in Spanien. Seit 1795 mit Frankreich verbündet, 
hatte dieses Land in dem unglücklichen Seekrieg viele Kolonien verloren, so 
daß das Volk des unheilvollen Bündnisses gründlich satt war. Die Siege von 
Jena und Friedland schüchterten den Friedensfürsten von neuem ein, so daß 
er, durch das Versprechen eines souveränen Fürstentums in Portugal geködert, 
mit Napoleon das Bündnis gegen den Nachbarstaat schloß, demzufolge die 
Franzosen freien Durchzug durch Spanien und ein Hilfscorps erhielten; als 
Unterpfand der Treue wurden 10000 Mann unter Romana in die Dienste 
Napoleons gestellt. Dessen wahre Absicht trat deutlich zum Vorschein, als er 
100 000 Mann staffelförmig in Spanien selbst ausstellte. Godoy kannte 
das Volk zu gut, als daß er erwartet hätte, es werde sich freiwillig der 
Fremdherrschaft fügen, und mußte als Urheber des französisch-spanischen Bundes 
die Volkswut fürchten. Daher beredete er den König Karl IV. und die 
Königin, nach Sevilla zu fliehen, um von da nach Amerika zu entwischen, 
Spanien aber sich selbst und dem Kronprinzen Ferdinand zu überlassen. 
Als die Zurüstungen zur Abreise bemerkt wurden, brachen in Aranjuez und 
Madrid Volksaufläufe aus, welche den König bewogen, zu Gunsten des Krön- 
Prinzen abzudanken, um Godoy zu retten (19. März 1808). Ferdinand 
suchte vergeblich durch Kriecherei Napoleons Anerkennung und Huld zu ge- 
Winnen. Spanien war bestimmt, ein Lehensstaat Frankreichs zu werden; den 
letzten bourbonischen Thron sollte ein Napoleonide einnehmen; es sollte die 
Schranke der Pyrenäen politisch fallen. Als Karl IV., seine Entsagung be- 
reuend, sich mit Klagen an Napoleon wandte, lud dieser ihn nach Bayonne 
ein und bewog auch Ferdinand, dahin zu kommen, obwohl das Volk von 
Madrid demselben die Pferde ausspannte, weil es, die Napoleonische Politik 
durchschauend, ihn an der Abreise verhindern wollte. Eltern und Sohn zeigten 
sich gleich charakterlos und der Krone unwürdig. Karl IV. klagte seinen 
Sohn der Usurpation an und erhielt die Krone zurück (5. Mai), entsagte 
aber am folgenden Tage für sich und seine Nachkommen zu Gunsten Napoleons 
und erhielt seinen Aufenthalt im Schlosse zu Compiegne (bis 1814; f 1818 
in Rom). Ferdinand lebte mit einem Jahresgehalte in fürstlicher Haft, aber 
in Vergnügungen ungebunden zu Valenyay. Napoleon berief eine Versamm- 
lung spanischer Notabeln nach Bayonne, ließ von ihnen seinen Bruder Jo- 
seph als König von Spanien anerkennen und gab dem Lande eine neue 
Verfassung (6. Juni 1808). 
So entartet die Bourbonen waren, ihr Volk ließ sich nicht wie eine Herde 
geduldiger Schafe behandeln. Das treulose Spiel mit der Königskrone erregte 
die tiefste Erbitterung. Schon am 3. Mai empörte sich die Bevölkerung in 
Madrid; der Aufstand kostete über 1200 Franzosen das Leben. Die grau- 
same Rache, welche Murat an Schuldigen wie an Unschuldigen nahm, stellte
	        
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