Full text: Geschichte der Neuzeit (Teil 3)

26 Zeitalter der Glaubensspaltung (Reformation). Religionskriege. 
Vereinigung". Der Hauptvermittler, der Kürschner Sebastian Lotzer. lehrte 
vollständigen Kommunismus. Aus diesem Kreise der Memminger 
Reformatoren gingen wahrscheinlich auch die früher irrigerweise dem Ju- 
risten Dr. Johann von Fuchsstein zugeschriebenen zwölf Artikel hervor. 
Diese verlangten: 1. Die Bauern wählen sich die Pfarrer selbst, und diese sollen 
ihnen das Evangelium lauter und rein und ohne allen menschlichen Beisatz verkünden. 
2. Die Bauern sollen nur den von Gott eingesetzten Zehnten entrichten; davon sollen 
die Geistlichen leben, der Überschuß den Armen und dem gemeinen Wesen zu gute 
kommen; den kleinen Zehnten geben sie nicht mehr. 3. Die Leibeigenschaft wird, als 
in der Heiligen Schrift nicht begründet, abgethan. 4. Jagd, Vogelfang und Fischerei 
sollen frei sein; denn es steht nirgends geschrieben, daß Gott die Tiere des Waldes, 
des Wassers und der Lust nur für die Herren geschaffen habe. 5. Der Wald soll dem 
Bauer frei sein, daß er daraus Holz sür seinen Bedarf hole. 6. „Ist unsere harte 
Beschwerung der Dienste halber, welche von Tag zu Tag gemehret werden. Wir be- 
gehren, daß man eine ziemliche Einsicht darein thue, uns dermaßen nicht zu hart be- 
schwere, sondern uns gnädig hierin ansehe, wie unsere Eltern gedient haben, allein 
' nach Laut des Wortes Gottes." 7. Der Bauer soll dem Herrn durch keine Willkür, 
sondern durch einen freien, festen Vertrag verpflichtet sein. 8. Der Zins von den Lehens- 
gütern soll ermäßigt werden, damit der Bauer nicht bloß für seinen Herrn arbeite, 
sondern auch etwas von der Frucht seiner Arbeit genieße. 9. Das Recht soll nach 
einem freien, alten Gesetz, nicht nach neuen Satzungen und Willkür gehandhabt werden. 
10. Wer mit Unrecht gemeines Gut an sich gebracht, soll es dem gemeinen Wesen 
zurückgeben. 11. Der Todfall (Besthaupt) soll ganz abgeschafft sein, damit Witwen 
und Waisen nicht um das Ihrige gebracht werden. 12. Diese Artikel soll man an- 
nehmen oder aus der Bibel widerlegen. 
Zu Richtern wollten die Bauern bald den bald jenen annehmen: Luther, 
Melanchthon, Strauß zu Eisenach, Oslander zu Nürnberg, Billican zu Nörd- 
lingen, Zell zu Straßburg, Sam von Ulm. die Prädikanten zu Hall, Augs- 
bürg, Reutlingen, Lindau, Kempten, ferner Zwingli in Zürich, Erzherzog 
Ferdinand und Kurfürst Friedrich von Sachsen; man erkennt daraus, auf 
wen sie am meisten bauten, aber auch, daß die Reichsstädte die Haupt- 
Herde der Reformation und dieser Bewegung waren. Obwohl man in die 
Artikel hineinlegen konnte, was man wollte, waren sie doch vielen zu ge- 
mäßigt und wurden mannigfach abgeändert. 
Bald griff die Empörung weiter um sich, außer in Bayern, dessen 
Kanzler Leonhard von Eck. der Leiter des schwäbischen Bundes, vergeblich 
auch anderwärts kräftiges Einschreiten riet. Vom Schwarzwalde und vom 
Bodensee verbreitete sich der Aufstand über Oberschwaben, am Neckar, am 
Oberrhein, im Elsaß, Würzburgischen bis nach Thüringen, Hessen, Sachsen 
und Braunschweig; die Salzburger und Tiroler folgten nach. Bei den 
bündischen Haufen befanden sich viele entlaufene Mönche und „arme Pfaffen", 
die zum Teil absichtlich als ungelehrte Laien auftraten, während andererseits 
Bauern die Idee von der allgemeinen Priesterschaft verwirklichten. Die Führer
	        
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