Full text: Geschichte der Neuzeit (Teil 3)

486 Zeitalter der Kämpfe um bürgerliche und nationale Freiheit. 
folgenden Tag in den wichtigsten Punkten der Stadt. So begann derselbe 
am Morgen des 28. mit erneuter Heftigkeit. Ein Anerbieten der Opposition, 
zu unterhandeln, ward von Polignac als Zeichen der Niederlage angesehen 
und abgewiesen. Vergeblich stellte Marmont seine Bedrängnis vor. Von 
St. Cloud erschien weder der König, noch ein Prinz, auch keine Hilfe. Die 
Truppen wurden von allen Seiten durch Barrikaden umringt, aus den Fenstern, 
von den Dächern herab beschossen und litten dabei Hunger und Durst. Not- 
gedrungen zog Marmont seine zusammengeschmolzenen Streitkräfte in das 
Louvre und die Tuilerien zurück. Damit fiel der größte Teil der Hauptstadt 
in die Hände der Insurgenten. Während zwei Pairs in den Tuilerien sich 
umsonst abmühen, Polignac zur Zurücknahme der Ordonnanzen zu bestimmen, 
und nach St. Cloud eilen, zwang der Abfall zweier Linienregimenter den 
Marschall, seine Stellung zu räumen und sich mit dem Reste der treu- 
gebliebenen Truppen nach St. Cloud und dann nach Rambouillet zurück- 
zuziehen. Wie einst bei der ersten Revolution werden wieder 200 Schweizer 
geopfert. Um 6 Uhr abends bewilligt Karl den Rücktritt des Ministeriums: 
zu spät. Es war bereits von Talleyrand, Adolf Thiers und andern, zum 
gelinden Ärger der Republikaner, der Herzog von Orleans berufen und 
zum Generalstatthalter ernannt worden. Als ihn Karl X. mit seiner Stell¬ 
vertretung beauftragte, lehnte er ab, als bereits von der Nation eingesetzt, 
und trat mit der Trikolore in der Hand im Stadthause vor das Volk. Am 
2. August dankten Karl und der Dauphin, Herzog von Angouleme. zu Gunsten 
des zehnjährigen Herzogs von Bordeaux ab und betrauten Louis Philipp 
mit der Aufgabe, dies der Kammer mitzuteilen, indem sie zugleich dessen 
Statthalterschaft anerkannten. Louis Philipp war ehrgeizig und unedel genug, 
zwar die Abdankung bekannt zu geben, nicht aber den Zusatz, durch welchen 
er als Regent sich hätte bescheiden müssen, aber dem Hause seines Wohl- 
thäters die Krone gerettet hätte. Als Lasayette sich mit einer kläglichen 
„Expeditions-Armee" gegen Rambouillet in Marsch setzte, verließ Karl, seine 
Sache aufgebend, mit seiner Familie Frankreich. Am 7. August wählte die 
Deputiertenkammer den Herzog von Orleans zum erblichen König der 
Franzosen. Er nannte sich Louis Philipp I. Lasayette beruhigte sich 
und die andern Republikaner mit dem Tröste, „daß der königliche Thron mit 
republikanischen Institutionen umgeben sein werde". Tatsächlich erfuhr die 
Charte einige demokratische Abänderungen. So endete die „große Woche" 
mit dem dreifarbigen Bürger- oder Julikönigtum. 
IX. Zeutsch land und Österreich von 1815—1830. 
Kein Volk hatte im Kampfe gegen Napoleons Tyrannei mehr Opfer- 
Willigkeit und Begeisterung gezeigt als das deutsche; von keinem andern wurde
	        
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