Full text: Geschichte der Neuzeit (Teil 3)

78 Zeitalter der Glaubensspaltung (Reformation). Religionskriege. 
Der Burgunderkrieg der Schweizers, 302 ff.; 1474—1477) 
änderte die ganze politische Lage der Dinge: die Schweizer drangen siegreich 
bis über Genf vor; Unterwallis wurde von den obern Thalleuten Savoyen 
entrissen; Berns Übergewicht in jenem Teile Burgunds war entschieden; 
diese immer kriegerisch gesinnte Stadt dachte an Eroberungen, um so mehr, 
als Savoyen durch Frankreichs Kriege um die Herrschaft Italiens in eine 
gefährliche Mitleidenschaft gezogen wurde. 
Mit dem Übertritt Berns zur Reformation trat der Wendepunkt ein. 
Als Franz I. gegen Karl V. den Krieg um Mailand erneuerte (1536), rief 
Genf die Berner um Hilfe gegen den Herzog von Savoyen an, und diese 
säumten nicht, Genf der Reformation zu gewinnen und das eigene Gebiet zu 
erweitern, was ihnen auch fast ohne Schwertstreich glückte. Die Anhänger 
der neuen Lehre in Genf, den Katholiken zwar nicht an Zahl, aber an That- 
kraft weit überlegen, durch französische Flüchtlinge verstärkt, vertrieben den 
schwachen, seinem Amte nicht gewachsenen Bischof. Seine Flucht nach Annecy 
machte ihn zum Bundesgenossen des Landesfeindes, während Stadtfreiheit 
und Reformation zusammenfielen. Den gleichen Fehler beging der Bischof 
von Lausanne, indem er im Kriege der Berner gegen Savoyen insgeheim 
für dieses Partei nahm, und erfuhr das gleiche Schicksal wie der Genfer 
Die Berner führten die Reformation mit Gewalt ein, nahmen den Kirchen- 
schätz der Lausanner Kathedrale weg und münzten ihn aus; das schöne Waadt- 
l a n d teilten sie in Vogteien, in denen die Angehörigen der Patrizierfamilien 
bequeme Versorgung fanden; aber sie hüteten sich wohl, in der Waadt das 
demokratische Kirchenregiment Calvins einzuführen. Das von Savoyens Herr- 
schaft befreite Genf getrauten sich die Berner nicht zu behalten und ließen ihm 
die Freiheit, die es bis 1792 behauptete. 
In Genf fand der Franzose Johann Calvin (Jean Cauvin) aus 
Noyon in der Picardie (geb. 10. Juli 1509), ursprünglich Jurist, dann 
theologisch gebildet und mit Luthers Schriften bekannt geworden, aus Frank- 
reich flüchtig, einen fruchtbaren Schauplatz seiner Thätigkeit. Der gewalt- 
thätige Farel und der Prediger Viret hatten hier bereits die Reformation 
eingeführt, aber eine arge Unordnung entfesselt, deren sie nicht mehr Herr 
wurden. In Calvin, dem Verfasser der berühmten Institutio religionis 
ckristianae (Unterricht in der christlichen Religion, 1536), der auf der Rück- 
reise von Italien nach Genf kam, glaubte man den richtigen Mann gefunden 
zu haben, um Ordnung zu schaffen. Der Rat ernannte ihn zum Professor 
der Theologie und zum Prediger (1536). Er verfaßte hierauf „das Glaubens- 
bekenntnis, welches alle Bewohner Genfs und die ihm unterthan sind, zu 
halten und zu bewahren schwören", erfuhr aber, als er mit unnachsichtiger 
Strenge gegen die herrschende Sittenlosigkeit einschritt und wie ein Tyrann
	        
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