Der Calvinismus.
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gebot, solchen Widerstand, daß er 1538 die Stadt verlassen ninßte. Nach
seinem Weggange brach wieder solche Verwirrung los, daß man Calvin zurück-
rief und ihm eine fast schrankenlose Gewalt in geistlichen und weltlichen Dingen
einräumte (1540). Mit eiserner Thatkraft führte er seine demokratisch-
theokratische Gemeindeverfassung durch. Er verbot Schauspiele, Tanz-
gesellschasten und öffentliche Lustbarkeiten und ahndete jede Übertretung, oft
ganz geringe Vergehen, namentlich jeden Verstoß gegen die Sitten, hart, ja
grausam. Die Geistlichen erhielten die Befugnis, in die Häuser zu gehen,
dort Religionsunterricht zu erteilen und den Glauben der Bewohner zu prüfen;
ebenso durften die Prediger von der Kanzel herab den Einzelnen mit Namens-
nennung tadeln, auch den Magistrat. Widerspruch ward nicht geduldet und
als „Rebellion gegen Gott und die heilige Reformation" bestraft. Seine
Gegner unterdrückte der Diktator durch Verbannung, Gefängnis, Folter, Hin-
richtung. Am meisten berüchtigt wurde sein Verfahren gegen den spanischen Arzt
Michael Servede (Servet). Derselbe hatte gegen die Dreieinigkeit und gegen
Calvins christliche Unterweisung geschrieben; er wurde bei seiner Durchreise
erkannt und von Calvin bei dem Magistrate als Ketzer angeklagt. Vergebens
berief er sich darauf, daß er in Genf nichts verbrochen habe; vergebens bat
er um die Todesstrafe durch Enthauptung; er wurde mit seinem Buche ver-
brannt (27. Oktober 1553). Calvin suchte sein Verfahren in einer besondern
Schrift zu rechtfertigen und überhaupt „das Recht" nachzuweisen, „die Ketzer
mit dem Schwerte in Schranken zu halten", und fand die Zustimmung seines
Freundes Theodor Beza, sowie Bucers und Melanchthons.
In der Lehre wich Calvin in manchen Punkten von den übrigen Re-
formatoren ab. Bezüglich des Abendmahls lehrte er. daß der Leib Christi
wirklich gegenwärtig sei und vom Gläubigen genossen werde, und zwar so,
daß gleichzeitig mit dem Genüsse der unverändert bleibenden körperlichen Ele-
mente, des Brotes und des Weines, eine aus dem Leibe Christi, der nur im
Himmel ist, ausfließende Kraft dem Geiste dargeboten werde. Der Gläubige
aber ist der Prädestinierte, der von Gott zur Seligkeit Vorherbestimmte,
Auserwählte. Nach Calvins Lehre ist eben ein Teil der Menschen für das
ewige Leben, der andere zur Verdammnis bestimmt. Wer als Auserwählter
sich dieser göttlichen Berufung bewußt wird, muß von ebenso schwärmerischem
Vertrauen und stolzer Erhebung über Andersgläubige erfüllt werden wie von
imbeugsamer Thatkraft. Der düstere Ernst wird gesteigert durch die Auf-
Hebung aller Festtage und die um so strengere Sonntagsfeier, das Verbot
der Lustbarkeiten und das Sittengericht der Kirchenvorsteher.
Das Kirchenregiment organisierte Calvin ganz republikanisch (Presbyterial-
Verfassung), indem er jede Hierarchie verwarf, dem Predigerstand aber — wie
gezeigt — ausgedehnte Vorrechte zuwies und ein aus 12 Laien und 6 Geist-