8 I. Die Geschichte der Griechen.
ähnlich wie die Helden der deutschen Sage (Siegfried, Dietrich von Bern usw.),
teils vermenschlichte Götter (Naturkräfte), teils vergötterte Menschen, d. h. ge-
schichtliche Gestalten, die den später Lebenden als Menschen höherer Art, mit
größerer Schönheit, Stärke und Tapferkeit begabt, erschienen.
a) Perseus, Theseus, Herakles (Herkules).
Perseus war der Sohn des Zeus und der argmischen Königstochter Danas.
Gleich nach ber Geburt ließ der durch ein Orakel erschreckte Großvater ihn und
seine Mutter in einer Kiste ins Meer werfen. Diese trieb an eine Insel, wo die
Unglücklichen gastliche Aufnahme fanben. Zum Jüngling herangewachsen, zog
Perseus auf Abenteuer aus. Seine glänzenbste Tat war bie Besiegung ber Gor-
gonen, weiblicher Unholde, beren Anblick versteinerte. Mit Hilfe bes Spiegels
der Athene, worin er das Bild der Ungeheuer anschaute, hieb er dem einen,
Medusa, das Haupt ab; aus dem Rumpfe fprang bas geflügelte Wunberroß
Pegasus hervor. Vor ber Verfolgung ber beiben anbem schützte ihn der un-
sichtbar machende Helm des Hades (vgl. die Tarnkappe Siegfrieds). Auf
der Rückkehr befreite er die an einen Felsen geschmiedete Andromeda, machte
sie zu seiner Gemahlin und herrschte mit ihr noch lange in Tiryns.
Theseus wurde besonders in Athen verehrt, wo man ihm einen prächtigen
Tempel, das Theseum, erbaute. Sein Vater war der athenische König Ägeus,
nach dem das Ägäische Meer benannt sein soll. Die Haupttaten des Theseus sind
folgende: Als er von seinem Geburtsorte in Argolis nach Athen reiste, überwanb
er mehrere Räuber unb Wegelagerer, unter benen Sinis ber Fichtenbeuger unb
Damastes ber Ausrecker (Prokrustes) die schlimmsten waren. In Athen wollte
man ihn nicht als Thronfolger anerkennen; aber zwei Heldentaten erwarben ihm
die Liebe bes Volkes: er fing ben marathonischen Stier, ber bie attischen
Gefilbe verwüstete, unb befreite mit Hilfe ber Aciabne, einer Tochter bes Königs
Minos, die Vaterstabt von bem schändlichen Menschenzoll, den sie dem Ungeheuer
Minotaurus auf der Insel Kreta alle neun Jahre darbringen mußte*.
Als König von Athen verband er die bisher selbständigen Gemeinden
Mikas zu einem Staate. Das Verlangen nach Abenteuern trieb ihn zu neuen
Unternehmungen. Er besiegte mit Herkules das tapfere Weibervolk der asiatischen
Amazonen, die unter ihrer Königin Hippel^ta bis nach Athen vordrangen,
und unterstützte seinen Freund Pirithöus, den König ber Lapithen, gegen
bie wilben Centauren, welche, halb Mensch halb Pferd, von unbändiger
Kampfeslust erfüllt waren. Sein Versuch, mit Pirithöus die Gemahlin des
Hades aus der Unterwelt zu entführen, mißlang. Der erzürnte Gott ließ die
beiden Frevler auf einem Felsen festwachsen, bis Herkules sie befreite. In
die Heimat zurückgekehrt, fand Theseus den Throy von einem Fremden besetzt.
Er verfluchte die undankbare Vaterstadt und begab sich nach einer Insel des
Ägäischen Meeres, deren König ihn freundlich aufnahm, dann aber hinterlistig
1 In Kreta sind neuerdings (seit 1899) die Reste großräumiger, mit Malereien
geschmückter Paläste und ausgedehnte Grabstätten aufgedeckt worden, welche
diese Insel als einen Ur- und Hauptsitz der sog. mycenischen Kultur kennzeichnen
(vgl. S. 15). In den Ruinen des Palastes zu Knossos mit seiner verwirrenden
Fülle von Sälen und Gelassen erkennt man das „Labyrinth" (abzuleiten von
Labrys — Doppelaxt, dem Sinnbild des Donnergottes). Der Minotaurus ist
wohl der in Stiergestalt verehrte Moloch.
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