Full text: Griechische und römische Geschichte (Teil 3)

— 16 — 
Die Unterwelt ist eine freudlose Stätte; der Held Achilles 
wollte lieber der ärmste Mann auf Erden sein, als der König im 
Totenreich. Die Seelen schweben wie Schatten über einer nebligen 
Wiese einher. Nur die besonders Gerechten wohnen göttergleich 
im Gefilde des ElMums oder auf der „Insel der Seligen". Sie 
ist umflossen von Lethe, dem Strome der Vergessenheit; aus ihm 
trinken die gerechten Seelen, damit sie alles Leid vergessen, das 
sie auf Erden erduldet haben. Die Frevler dagegen erleiden ewige 
Strafen im Tartarus. Dies ist der tiefste Abgrund der Unter- 
welt und so weit unter der Erde, als der Himmel sich über ihr 
wölbt. Schrecklich ist bei manchen die Strafe; ein Verbrecher, 
namens Sisyphus, muß z. B. einen Felsblock bergan schieben, 
aber immerfort entrollt ihm der gewaltige Stein wieder abwärts. 
§ 21. Tempel und Priester. Der säulenumgebene Tempel 
galt nur als Wohnstätte des Gottes, nicht auch als Versammlungs- 
ort der Gläubigen. Er war deshalb nicht groß. Von Osten, 
dem Aufgange der Sonne, her trat man durch eine Vorhalle ein. 
An den Tempelwänden standen oder hingen Weihegeschenke, nament- 
lich goldene und silberne Gefäße, auch Beutestücke siegreicher Feld- 
Herren. Im Hintergrunde, gegenüber dem offenen Eingange, 
ragte das Götterbild empor; es war in älterer Zeit aus Holz, 
später aus Bronze, Marmor oder edlem Metall. Vor dem Bilde, 
hinter dem die Schatzkammer des Tempels war, stand ein Altar, * 
gewöhnlich ein rund oder viereckig behaltener Stein. 
Die Priester waren keine Lehrer der Religion und bildeten 
auch keinen besonderen Stand, sondern galten nur als Tempel- 
diener und Verwalter des Tempelgutes. Sie sind etwa mit den 
jüdischen Leviten zu vergleichen. Ihr Amt wurde durch Wahl 
oder Los, auch wohl für eine bestimmte Zeit vergeben. Ein langes 
weißes oder purpurfarbenes Gewand und lang wallendes Haar 
waren ihr Abzeichen. 
§ 22. Die gewöhnliche Götterverehrung. Die allgemeinste 
Art, die Götter zu verehren, war das Gebet. Wer beten wollte, 
beugte das rechte Knie und erhob die Arme zum Himmel; die 
offenen Handflächen kehrte er dabei wie zum Empfange der gött- 
lichen Gabe nach oben. Man betete morgens, abends und vor 
der Mahlzeit; auch öffentliche Verhandlungen wurden nie vor- 
genommen, ohne daß die Gunst der Götter erfleht wurde. Vor 
jedem Trünke goß man etwas aus dem Becher als fromme Spende 
auf den Boden; wer an einem Götterbilde vorüberging, grüßte es ^ 
durch eine Handbewegung. 
Alles Auffällige in der Natur, wie Donner und Blitz, jedes 
plötzliche Vorkommnis im täglichen Leben, wie Stolpern beim
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.