Full text: Die Geschichte des Mittelalters (Bd. 2)

406 Dritter Zeitraum des Mittelalters: 1096—1273. 
und die Standhaftigkeit belohnen zu wollen, die er während seiner ersten 
Jahre in oft schwer bedrängter Lage bewiesen hatte. Wenige Wochen nach 
seiner Rückkehr starb Heinrich der Löwe, der Gewaltigste seines Geschlechts. 
Durch seinen Tod sah sich Heinrich mancher Rücksichten überhoben, und 
rascher und entschlossener ging er jetzt an seine großen Pläne zur Erweite¬ 
rung und Befestignng der kaiserlichen Macht. Er trat mit einem Antrage 
hervor, der die Grundlage der deutschen Reichsverfassung umgestalten mußte. 
Es handelte sich um nichts Geringeres, als das Recht der Kaiserwahl, den 
Stolz der Fürsten, das Unglück unserer Geschichte, aufzuheben und Deutsch¬ 
land zu einem Erdreiche zu machen. Wie unerhört man auch diesen 
Gedanken fand, bei der Macht und Staatsklugheit des Kaisers, bei der 
Größe dessen, was er dafür zu bieten hatte, erschien er nicht zu kühn. 
Den Geistlichen gegenüber verzichtete Heinrich auf das Recht, den beweglichen 
Nachlaß der Prälaten für den kaiserlichen Schatz einzuziehen. Die weltlichen 
Fürsten sollten, was schon vor 40 Jahren Oesterreich als ein Vorrecht zuge¬ 
standen war, ihre Lehen auch auf Töchter und Seitenverwandte vererben 
dürfen. Dem Selbstgefühle der ganzen Nation endlich schmeichelte er mit 
dem glänzenden Anerbieten, sein sicilisches Königreich zum deutschen Reichs¬ 
lande zu machen; es sollten beide Reiche untrennbar unter dem Scepter 
eines Herrschers stehen, alle Grenzen zwischen Deutschland und Italien 
fallen, die italienischen Barone so gut Reichsmannen sein, wie die deutschen 
Fürsten, oder vielmehr über beide sollte mit gleicher Macht ein einziger Wille 
gebieten. Schon hatte er auf dem im April 1196 zu Würzburg abgehaltenen 
Reichstage die Mehrzahl der geistlichen und weltlichen Fürsten für die Idee 
des einen erblichen Weltreiches gewonnen. Aber der entschiedene Wider¬ 
stand, den die Sachsen und die vom Niederrhein leisteten, ließ es ihm rath- 
sam erscheinen, die Sache nicht zu erzwingen und vorerst noch von seinem 
Vorhaben abzustehen, um dasselbe bei gelegenerer Zeit wieder aufzunehmen. 
Wie groß die Furcht der Fürsten vor der Uebermacht des Kaisers und vor 
einer gewaltsamen Durchführung seines Planes gewesen sein muß, das beweist 
die unbedenkliche Bereitwilligkeit, mit der sie seinem ermäßigten Ver¬ 
langen, seinen jungen Sohn in hergebrachter Weise zum römischen Könige 
zu wählen, zustimmten. Auf dem Reichstage zu Frankfurt (der alten Wahl¬ 
stadt) ward der zweijährige Constantin — diesen Namen führte das damals 
noch ungetanste Kind — von den versammelten Fürsten als König aus¬ 
gerufen. Wenn auch nicht im Grundsatz, so war doch thatsächlich dasselbe 
damit erreicht. Auf eine lange Reihe von Jahren hinaus, so durste der 
Kaiser hoffen, hatte er dem Haufe der Hohenstaufen die Herrschaft gesichert, 
und mit neuer Zuversicht konnte er sich wieder dem Auslande und den 
gewaltigen Plänen zuwenden, die seine Seele bewegten. 
Die Herrlichkeit und Macht der alten Cäsaren, als deren Erbe und 
Nachfolger er sich betrachtete, sollte erneuert werden und alle Fürsten in das
	        
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