Contents: Bilder aus den deutschen Alpen, dem Alpenvorlande und aus Oberbayern (Bd. 1)

114 Die Alpengrenze des Deutschen Reiches. 
eine Grenze anderer Art, welche, wenn nicht streng mit der Linie, so doch mit 
dem allgemeinen Verlause der südlichen Reichsgrenze zusammenfällt; eine 
wichtige Scheide in der Natur der Alpen selbst, in ihrer Gliederung und iu 
ihrem Aufbaue, in ihrer Fügung aus den Bausteinen unserer Erdrinde, ein 
Gegensatz zwischen Alt und Jnng. Und auch iu der äußereu Erscheinung, in 
welcher sie dem Menschen gegenübertreten, in den Bildern, welche sie seinen 
Augen bieten, und den Eindrücken, welche sie seinem Geiste hinterlassen, stechen 
diese wuchtigen Felsenmassen scharf ab gegen ihre mächtigeren Nachbaren im 
Süden. Die fieberhafte Hast, mit welcher der Reifende dem Anblicke der firn- 
glänzenden Alpenhäupter entgegeneilt, die geringe Aufmerksamkeit, welche er 
dem ersten Gebirgsgürtel zuwendet, der ihm fast mehr als hemmende Schranke 
anf seinem Wege nach dem Süden, denn als ein Gegenstand, Werth des 
Schauens und der Forschung erscheint, lassen es allein erklären, wenn er die 
kahlen Felsenketten im Süden des Reiches als „Vorgebirge" der Alpen zu 
betrachten Pflegt. Aber man muß sie kennen lernen, diese steinigen Oeden, man 
muß eindringen ins Herz dieser Felsenwüsten, anf den zerrissenen, zertrüm- 
merten Graten umherwandern, ihre kühnen Zacken und Hörner wiederbegrüßen 
von den hohen Gipfeln der Centralalpen aus, und man wird ihre wahre Be- 
deutung als Grenzwall ermessen. 
Wenden wir daher nunmehr unsere Aufmerksamkeit insbesondere auf das 
Grenzgebirge des Deutschen Reiches, aus die nördlichen Kalkalpen. In- 
dem wir — dieses Mal in umgekehrter Richtung als bei der Betrachtung des 
Alpeugebietes im Allgemeinen — von Osten gegen Westen, von einem großen 
Flnßthale zum anderen vorschreiten, wollen wir uns eine Uebersicht über die 
Hauptketten und Gruppen der nördlichen Kalkalpen mit ihren Gipfeln und 
Thälern zu verschaffen fuchen und dabei zugleich den Lauf der Südgreuze des 
Deutschen Reiches ius Auge fassen. 
Die nördlichen Kalkalpen von der Salzach bis zum Inn. Wenn wir 
die Kalkalpengruppe im Salzkammergute und weiter östlich, als diesen Grenzen 
fremd, von unserer Betrachtung ausschließen, so beginnt unser Gebiet an 
der Salz ach, dem stärksten (rechten) Nebenflusse des Juu, welche in den 
Gletschern der Benediger-Gruppe und im nordöstlichen Theile des Ziller- 
thaler Gebirges ihre Quelladern sammelt, die Sumpföde des Ober-Piuzgau 
durchzieht, dann im rechten Winkel nach Norden abbiegt und in der wilden 
Klamm der Salzach-Oesen bei Paß Lueg ihren Austritt aus den Kalkalpen 
sich erzwingt. Ihr Thal scheidet auf der Strecke von Bifchofshofen bis Paß 
Lueg zwei hohe Gebirgsmafsen, beide von gleichem, stockartigen Aufbaue 
mit steil abfallenden Seitenrändern und auf ihrem Scheitel meilenweit sich 
hindehnenden hügelichten Flächen, wie sie für den Osten der nördlichen Kalk- 
alpen überhaupt charakteristisch sind. Rechts der Salzach ist es das Tünnen-, 
links das Haagengebirge. Letzteres bildet den östlichen Flügel des großen 
Plateau's der Berchtesgadener Gruppe, deren centralerTheilunter dem 
Namen des Steinernen Meeres in weiteren Kreisen bekannt ist. 
Es ist ein gut gewählter Name für diese einsamen Hochflächen, der eines 
„Steinernen Meeres". Erweckt die Fernsicht von einem hervorragenden Alpen-
	        
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