Full text: Das Neunzehnte Jahrhundert (Bd. 3)

J 60 — 
Postanstalten eingerichtet werden. Aber Postanstalten in den Formen, 
wie sie bisher üblich gewesen, wären zu kostspielig geworden. Es 
fehlte an Geld, solche Anstalten auf dem Lande einzurichten. Darum 
schuf Stephan Postanstalten in vereinfachter Form, Postagenturen und 
Posthülfsstellen. Die Postagenturen werden nicht von Berufspost¬ 
beamten, sondern gegen eine Vergütung von geeigneten Orts¬ 
einwohnern verwaltet. Die Posthülfsstellen — mit noch einfacheren 
Formen — werden auch von Ortseinwohnern verwaltet; aber ihre 
Verwaltung geschieht ohne Vergütung, im Ehrenamt. Ferner : das 
Landbestellgeld wurde aufgehoben; die Zahl der Briefträger und 
Briefkasten auf dem Lande wurde vermehrt; die Landbriefträger 
wurden zum grossen Teil mit Fuhrwerk ausgerüstet. — 
Postmeister Stephan hat jedoch nicht nur für das deutsche 
Reichspostgebiet Bedeutung, sondern hat auch für den Verkehr 
zwischen dem Reichspostgebiete und dem Ausland segensreich gewirkt • 
er ist der geistige Urheber des Weltpostvereins. 
Auf den Wirrwarr, welcher vor 1866 auf dem Gebiete der 
Post in Deutschland herrschte, ist bereits hingewiesen. Gleichwie 
hier jede Postverwaltung ihre eigenen Taxen festsetzte und erhob 
und ihren Dienstbetrieb selbständig regelte, thaten dies noch nach 
dem Jahre 1866 die ausserdeutschen Postverwaltungen in Europa 
und die Postverwaltungen in den übrigen Erdteilen, so dass im 
Weltverkehr noch ein Wust von Preissätzen und Bestimmungen 
herrschte, als in Deutschland bereits ein Zusammenschluss der ver¬ 
schiedenen Postverwaltungen stattgefunden hatte. 
Jahrelang hat Stephan darauf hingearbeitet, diese Zustände zu 
ändern, auch im Weltpostverkehr eine grössere Einheitlichkeit zu 
erzielen. So weit er konnte, sorgte er dafür, dass in allen Ver¬ 
trägen, welche die preussische und die norddeutsche Post abschlossen, 
die Mannigfaltigkeit der Tarife durch ein einfaches Wertungs- und 
Abrechnungsverfahren ersetzt wurde. So schuf Stephan einen festen 
Kern, an den sich die noch ausserhalb stehenden Staaten angliedern 
konnten. Die Staaten, mit denen die preussische und später die 
norddeutsche Post Übereinkommen im Sinne Stephans abgeschlossen 
hatten, lernten allmählich die Vorzüge der neuen Ordnung immer 
mehr kennen und schätzen; sie waren daher geneigt, Stephan auf 
seinem Wege noch weiter zu folgen und in die Verträge mit anderen, 
noch unbeteiligten Verwaltungen die als nützlich anerkannten Grund¬ 
sätze einzuführen. 
Nachdem Stephan jahrelang vorgearbeitet hatte, erliess im 
Jahre 1874 die Schweiz auf Ansuchen Deutschlands an die aus¬ 
wärtigen Regierungen eine Einladung zu einem allgemeinen Post¬ 
kongress in Bern. Es erschienen auf diese Einladung Bevollmäch¬ 
tigte von sämtlichen Staaten Europas, sowie der Vereinigten Staaten 
von Nord-Amerika und Ägyptens. Die allgemeine Strömung war 
einem engeren Zusammenschluss günstig, und nach einigen Wochen 
wurde der Grundvertrag des allgemeinen Postvereins (später Welt¬ 
postverein genannt) von allen Abgesandten in Bern unterzeichnet;
	        
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