wohnlich stand dann vor dem Schlosse viel Volk, das den Kaiser ehr-
furchtsvoll begrüßte und häufig die Nationalhymne anstimmte. Nach-
mittags fuhr der Kaiser eine Stunde spazieren. Abends ging er gern
ins Theater) nur wenn einer seiner alten Generale gestorben war,
tat er es nicht. Gegen 11 Uhr begab er sich zur Ruhe. Er schlief
in einem einfachen Feldbett. Freudentage seines Alters waren der
11. Juni 1879, der Tag seiner goldenen Hochzeit, und der 22. März
1887, an dem er das 90. Lebensjahr vollendete. Aber in demselben
Jahre erkrankte sein Sohn, der Kronprinz Friedrich Wilhelm, an
einem schweren Halsleiden. Das machte ihm vielen Kummer. Anfang
März 1888 hatte sich Kaiser Wilhelm bei einer Ausfahrt erkältet. Die
Schwäche nahm bedenklich zu, so daß die Ärzte seinen Tod für bevor-
stehend erklärten. Seine Tochter, die Großherzogin von Baden, und
die Enkel versammelten sich an seinem Bett. Der Kronprinz lag krank
in San Nemo darnieder. Aber noch auf dem Sterbebette verließen
den Kaiser nicht die Sorgen um das Land. Seinem Enkel, dem
Prinzen Wilhelm, gab er gute Ratschläge für die Regierung. Als
ihn feine Tochter bat, sich nicht im Reden anzustrengen, sagte er:
„Ich habe keine Zeit müde zu sein." Am 9. März früh entschlief er
ruhig. Noch nie hat der Tod eines Menschen solche Trauer auf der
ganzen Erde hervorgerufen, wie der des Kaifers Wilhelm.
9) Kaiser Wilhelms Helfer. Außer feinem Sohne, dem Krön-
prinzen Friedrich Wilhelm, waren die Helfer Kaiser Wilhelms in den
Kriegen und bei der Gründung des Deutschen Reiches Prinz Friedrich
Karl, Fürst Bismarck, Graf Moltke und der Kriegsminister von Roon.
a. Prinz Friedrich Karl. Er war ein Nesse des Kaisers Wilhelm
und wurde 1828 in Berlin geboren. Schon als Knabe trat er in
die Armee ein und wurde roter Husar. Sein Lehrer in militärischen
Dingen war der Major von Roon, der später Kriegsminister wurde.
Derselbe begleitete ihn auch nach Bonn, wo der Prinz die Hochschule
besuchte. Prinz Friedrich Karl war der beste Reitergeneral. Er war
spärlich mit seinem Lobe. Nur als unser Kaiser Wilhelm II. ihm sein
Regiment vorführte, sagte er zu ihm: „Das hast Du brav gemacht;
das hätte ich nicht besser machen können." Großen Ruhm hat sich
Prinz Friedrich Karl in den Kriegen des Kaisers Wilhelm erworben.
Er erstürmte am 18. April 1864 mit seinen tapferen Truppen die
Düppeler Schanzen. Binnen J/2 Stunde waren die ersten 6 Schanzen
in den Händen der Preußen. In der Schlacht bei Königgrätz leistete
er den Österreichern, die an Zahl viel stärker waren, so lange Wider-
stand, bis der Kronprinz in die linke Flanke eingriff. Im Kriege
gegen Frankreich war er der Führer einer Armee. Er nahm teil an
der Einschließung des Marschalls Bazaine in der Festung Metz, die
er dann 10 Wochen belagerte. Die französischen Truppen, welche der
Stadt Paris zu Hilfe kommen wollten, schlug er tapfer zurück. Er
wurde in diesem Kriege zum Feldmarschall ernannt. Prinz Friedrich
Karl starb 1885.