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Zur Rechten sieht man wie zur Linken
einen halben Türken heruntersinken.
Da packt die andern kalter Graus;
sie fliehen in alle Welt hinaus,
und jedem ist's, als würd' ihm mitten
durch Kopf und Leib hindurchgeschnitten. —
Drauf kam des Weges 'ne Christenschar,
die auch zurückgeblieben war;
die sahen nun mit gutem Bedacht,
was Arbeit unser Held gemacht.
Von denen hat's der Kaiser vernommen;
der ließ den Schwaben zu sich kommen
und sprach: „Sag' an, mein Ritter wert,
wer hat dich solche Streich gelehrt?"
Der Held bedacht' sich nicht zu lang:
„Die Streiche sind bei uns im Schwang;
sie sind bekannt im ganzen Reiche;
man nennt sie halt nur Schwabenstreiche."
Ludwig Uhland.
194. Siegfrieds Tod.
In Worms am Mittelrhein wohnte eine schöne und liebens¬
würdige Königstochter, namens Kriemhilde. Ihre Mutter war
Witwe und hieß Ute. Kriemhilde hatte drei Brüder: Gunter,
Gernot und Giselher. Diese herrschten seit des Vaters Tode über
das mächtige Reich Burgund. Viele Königssöhne hatten schon
vergeblich um die Hand der anmutigen Jungfrau angehalten.
Da beschloß auch Siegfried, der hehre Sohn des Königs Sieg¬
mund von Niederland, der zu Lauten am Niederrhein Hof hielt,
um Kriemhilde zu werben.
Mit einem Gefolge von zwölf Rittern in glänzender Rüstung
zog er an den Königshof zu Worms. Niemand kannte ihn dort.
Nur Hagen, ein Verwandter und treu ergebener Dienstmann der
Burgunder:, sprach: „Ich habe schon so viel Wunderbares von
dem starken Siegfried erzählen hören; dieser herrliche Ritter, der
an der Spitze reitet, kann niemand anders sein als Siegfried."
Darauf wurde der hohe Gast mit seinen stattlichen Begleitern aufs
freuudlichste aufgenommen, und es wurden ihm zu Ehren gro߬
artige Feste veranstaltet. Sie verweilten noch längere Zeit am