IV. Der Niedergang des Deutschen Reiches.
Die Raubkriege in der Pfalz.
(Nach Philippfon, Häusser und Zwiedineck.)
1. Der „Sonnenkönig" als Beherrscher Europas.
Unter Ludwig XIV. überstrahlte Frankreichs Ruhm alle Völker.
Tie Nationen beugten sich, wie vom Schrecken gelähmt, vor dem großen
König am Seinestrand. Frankreich erlebte sein „goldenes Zeitalter".^)
Das Königtum war mit einer Etikette umgeben, die einem der Gott¬
heit geweihten Kultus nicht unähnlich war?) Die Großen des Reiches
drängten sich von Morgen bis zum Abend in den Vorzimmern des
Königs. In Paris ließ sich dieser nur bei feierlichen Gelegenheiten
sehen. Er zog es vor in der selbstgeschaffenen Residenz zu Versailles zu
thronen, die er mit ungeheuren Kosten3) zu dem großartigsten Palaste
ausbaute, den je ein Monarch bewohnt hat. Er überschüttete Gelehrte
und Dichter4) mit Wohltaten; was er dabei suchte, war lediglich wieder
er selbst, sein Ruhm, seine Verherrlichung.
2. Wie Ludwig die Schwäche des Reiches zu seinem Vorteil ausnützte.
Die gewaltige Macht, die Frankreich in feinen Kriegen erreicht
hatte, genügte dem Ehrgeize des Königs nicht mehr; noch sollten die
deutschen Fürsten geknebelt werden und dahinter schwebte als weiteres
Ziel die Wiederaufrichtung eines Weltreichs nach Art des karolingischen.
Um den ehrgeizigen Neigungen seines Herrn zu schmeicheln, stellte Lud¬
wigs Kriegsminister Louvoir die Theorie auf, alle Besitzungen, die je¬
mals zu den in den Friedensschlüssen von Münster und Nymwegen^)
an Frankreich abgetretenen Provinzen gehört hätten, müßten wieder
1) In dieser Zeit führt Frankreich seine glücklichsten Kriege und ist nach
innen der blühendste Staat des Festlandes.
2) Auf einem Triumphbogen war Ludwig als „die Ehre der Könige, die
Wonne des menschlichen Geschlechts, der Liebling seiner Untertanen, das Wun¬
der der Welt" verherrlicht.
3) Etwa 900 Millionen Francs.
4) Moliere, Racine, Corneille.
5) Der Friede beendete den II. Raubkrieg (1678). In demselben mußte der
Kaiser Freiburg an Frankreich abtreten.