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Aber die Feinde des Königs hetzten das Volk auf. Ein Zug
von 30000 Personen kam vor das Schloß, und die Männer
schlugen mit Äxten an die Türe- Der König ließ öffnen und trat
ihnen entgegen. Nun drangen die vordersten in das Zimmer und
trieben ihren Spott mit ihm. Sie hoben ihn auf einen Tisch,
damit alle ihn sehen konnten. Einer überreichte ihm auf dem
Spieße seine rote Mütze; der König nahm sie und setzte sie sich aufs
Haupt. Ein Betrunkener bot ihm sein Glas zum Trinken. End¬
lich kamen Leute und befreiten den König. Aber der Haß der
Feinde nahm von Tag zu Tag zu; da beschloß Ludwig, zu ent¬
fliehen. In der Nacht bestieg er seinen Reisewagen und gelangte
glücklich aus der Stadt. Allein unterwegs erkannte ihn ein Post¬
meister. Der König wurde als Gefangener wieder nach Paris
zurückgebracht.
Jetzt verlangten die Feinde seinen Tod und stellten ihn vor
Gericht. Alle schwiegen, als der König eintrat. Der Richter sprach:
„Ludwig, 'das französische Volk klagt Sie an, eine Menge Ver¬
brechen begangen zu haben." Und nun erhob er viele Anklagen
gegen ihn. Aber der König bewies seine Unschuld so mutig, daß
alle sich über ihn wunderten. Zuletzt sagte er: „Es ist vielleicht
das letzte Mal, daß ich zu Euch rede; aber ich sage Euch, mein
Gewissen ist rein." Tränen traten in seine Augen, während er
dies sagte. Dann wurde er wieder fortgeführt ins Gefängnis.
Jetzt stimmten die Abgeordneten ab über das Urteil. Kaum mehr
als die Hälfte stimmte für die Hinrichtung. Da stand der Rich¬
ter auf und sprach: „Ich verkünde im Namen der ganzen Ver¬
sammlung, daß die gegen Ludwig ausgesprochene Strafe der Tod
sei." Am Morgen wurde der König zur Hinrichtung geführt.
Während er über den Hof ging, blickte er immer wieder zurück nach
dem Zimmer, wo seine gefangene Familie um ihn weinte. Um
10 Uhr langte er auf dem Platze an, in dessen Mitte das Blut¬
gerüst stand. Die Henker wollten ihn entkleiden. Doch Ludwig
wies sie zurück, legte selbst das Kleid ab und entblößte seinen Hals.
Als sie ihm aber die Hände auf den Rücken binden wollten, rief
er unwillig: „Was maßt Ihr Euch an? Tut, was Euch befohlen
ist! Aber binden lasse ich mich nicht!" Schon wollten die Henker
Gewalt anwenden; da trat sein Beichtvater hinzu und erinnerte
ihn an das Beispiel Jesu. Gelassen streckte jetzt Ludwig seine
Hände hin und sprach: „So bindet sie denn, damit ich den Leidens-