Full text: Vom Westfälischen Frieden bis zur Gegenwart (Teil 9)

§ 12. Die Verschiebung der europ. Machtverhältnisse zuungunsten Frankreichs. 63 
bereits in den letzten Jahren die Regierung völlig geleitet hatte. Durchdrungen 
von der Überzeugung, daß die gottgesetzte Autorität in Kirche und Staat nur auf 
den Katholizismus und den Absolutismus sich stützen könne, unternahm er Katholizismus u. 
noch einmal den Versuch, die traditionellen Ansprüche seiner Familie durckzu- Absolutismus, 
führen. Sein Bündnis mit Ludwig XIV. und die Umgehung und spätere 
Abschaffung der Testakte, die Besetzung des Geheimen Rats ausschließ- 
lich mit Katholiken und die allgemeine Bevorzugung der letzteren in allen 
Ämtern zeigten die wahren Ziele, denen Jakob zustrebte. Anfänglich suchte er die 
Anglikanische Kirche, zu der sich die überwiegende Mehrheit der Tories bekannte, 
durch grausame Maßregeln gegen die Nonkonformisten zu gewinnen; als 
er aber damit nicht viel erreichte, wechselte er das System und vergewaltigte 
die bischöfliche Kirche, indem er ihre einflußreichsten Stellen und Universi¬ 
täten mit Katholiken besetzte und gegen die widerstrebenden Geistlichen und 
Bischöfe mit ungesetzlicher Gewalt vorging. Da er der englischen Armee nicht 
mehr traute, ließ er katholische irische Regimenter nach England kommen: 
kurz Jakob ahmte seinem großen Verbündeten in der Anwendung absolutistischer 
Regierungsweise mit hartnäckigem Eigensinn nach. 
Das englische Volk ertrug die Unbill nur in bem Gedanken, daß nach Die Thronfolge, 
dem Tode Jakobs die protestantische Nachfolge gesichert sei; von seinen prote¬ 
stantischen Töchtern aus erster Ehe war die ältere Maria mit Wilhelm von 
Oranien, diejüngereAnna mit einem dänischen Prinzen vermählt. Als aber 
im Jahre 1688 dem Könige von seiner zweiten, katholischen Gattin ein Thron¬ 
erbe geboren wurde und damit die katholische Dynastie gefestigt erschien, da 
war die Zeit des Handelns gekommen: am 15. November 1688 landete 
Wilhelm III. von Oranien, mit dem vor allem die unzufriedenen Whigs Die sog. Glor- 
schon feit Monaten zum „Schutze des Protestantismus und der englischen Frei-ceid)e ^g80luti0n 
heit" in Verbindung gestanden hatten, an der Küste von Devonshire und ver- 
anlaßte nach einigen Scharmützeln mit den irischen Regimentern den König 
zur Flucht nach Frankreich. Ein auf Grund einer staatsrechtlichen Fiktion 
einberufenes Parlament1) übertrug die königliche Würde an Wilhelm und seine 
Gemahlin Maria, nachdem beide in der „Erklärung der Rechte" (Bill of 
rights) die wichtigsten Grundsätze der englischen Volksfreiheit anerkannt Hatten. büi of rights 
So Hatte Wilhelm III., der energischste Widersacher des in Ludwig XIV. ver- 1689' 
körperten romanischen Absolutismus, den absolutistischen Bestrebungen (der 
Stuarts) aus englischem Boden für immer ein Ende gemacht: unter ihm trat 
England in die für die weitere Entwicklung seiner eigenen und der Weltgeschichte 
fo bedeutungvolle Epoche der auf der Volkssonveränität beruhenden 
Parlamentarischen Monarchie ein. 
r 2- Der spanische Erbfolgekrieg. Trotz der Erschöpfung seiner Hilft- 1701-1713. 
quellen und der Abnahme feines Einflusses auf die ihm verbündeten Fürsten 
hätte sich Ludwig XIV. wohl kaum zu dem Friedensschlüsse von Rijswijk 
bequemt, wenn nicht die Aussicht auf einen neuen und vielleicht noch viel 
schwereren Kampf eine Ruhepause zur Stärkung feiner Kriegsbereitschaft 
dringend notwendig hätte erscheinen lassen: konnte doch die spanische 
1) Nur ein König konnte das Parlament einberufen.
	        
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