sich stets sorgfältig gewaschen, hatten sie ihr Gebet nicht sehen lassen
und ihre Rede nicht uuuöthig verlängert, so kamen sie nach Osten in die
sonnigen Gefilde der Seligen, sonst aber nach Westen in die finstern
Schluchten der Hölle. Die unreinen Seelen wurden, wenn sie die
Martern der Hölle überstanden hatten, noch einmal in die Oberwelt
geschickt, und mußten erst in einem Thierleibe (Fisch oder Vogel) woh¬
nen, bis sie nach langer Wanderung in ihren alten Körper zurückkehrten.
Waren sie nun vollständig gereinigt, so konnten sie an den Freuden der
Seligen theilnehmen, sonst aber begann die Seelenwanderuug aufs
neue. Ihr könnt denken, wie wichtig es den Aegyptern erscheinen mußte,
daß der alte Körper vorhanden blieb. Wenn er verwest war, so mußte
die Seele ja ewig von einem Thierkörper zum andern wandern.und
konnte nie zur Ruhe eingehen. Deshalb wurden die Leichen mit kost¬
baren Specereien einbalsamirt (Mumien) und in steinernen Gräbern bei¬
gesetzt. DieKönige bauten sich zu diesem Zwecke sogenannte Pyramiden,
die noch heute stehen und von denen die größte etwa 500' (150 Meter)
hoch ist. Zwanzig Jahre lang sollen 100,000 Menschen gearbeitet haben,
um diese eine zu vollenden. Die Pyramiden bestehen aus großen
Quadersteinen, die nicht durch Kalk oder ähnliche Bindemittel, sondern
nur durch ihre Schwere zusammen gehalten werden. Merken müßt ihr
euch noch, daß eigene Richter (Todtengericht) darüber entschieden, ob
eine Leiche einbalsamirt werden solle oder nicht. Hatte ein Mensch gar
zu schlecht gelebt, so wurde seiner Leiche die Ehre der EinbalsaMiruug
versagt. Selbst die Könige waren diesem Todtengericht unterworfen. —-
Bon den vielen Königen der Aegypter nenne ich euch nur einige:
1. Möris (Amenömha III), 2200 v. Chr. Geb. Zu seiner Zeit hatte
man schon eingesehen, daß das Gedeihen Aegyptens von der regel¬
mäßigen Ueberschwemmung des Nils abhange. Deshalb ließ Möris
einen See graben, an dem Tausende von Menschm viele Jahre arbeiten
mußten. (Dieser See soll 3 □ Meilen im Umsang gehabt haben und
14—16 Fuß (c. 5 Meter) tief gewesen sein. Jetzt ist er ganz ver¬
schwunden, da der Nilschlamm ihn nach und nach wieder ausgefüllt hat.)
Wenn der Nil allzuhoch stieg, so nahm der See das überflüssige Wasser
ans; bei niedrigem Wasserstande dagegen öffneten sich seine Thüren
(Schleusen), und die Fluten strömten über die Felder. Außerdem baute
er am User des Sees das sogenannte Labyrinth, einen Palast, der an
Pracht und Größe alle bisher errichteten Menschenwerke übertraf', jit
diesem Labyrinth waren 3000 große Säle, von denen 1500 unter und
1500 über der Erde lagen.
2. Sesostris, 1400 v. Chr. Geb. Er war leider nicht so
friedlich und nur auf das Wohl seines Volkes bedacht wie Möris;
kriegerischer Ruhm ging ihm über alles. So zog er denn mit einem
großen Heere aus, um die Nachbarvölker zu unterwerfen, und je weiter
er kam,'desto mehr wollte er noch haben. Wie die Sage erzählt, eroberte