fullscreen: Norddeutsches Lesebuch

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2690 am Leben, die der Mehrzahl nach arm und bloß dastanden. Alles war 
verloren: Haus und Hof, Viehstand und Erntesegen, selbst der Grund und 
Boden war nicht mehr da. Der Winter mit seinen Stürmen und Eisfluten 
stand vor der Thür. Die Köge wurden im Laufe desselben ihrer Grasnarbe 
beraubt und in ͤde Watten verwandelt. 
So nimmt die Flut Hab' und Gut, Land und Sand hinweg, aber sie 
giebt, wenn gleich langsam, das Land auch wieder zurück, indem sie die auf⸗ 
gelösten Sand⸗ und Thonimmassen an andern Orten wieder abseht und neues 
Land bildet, die Watten also wieder in Land verwandelt oder verwandeln hilft; 
denn der denkende Geist und die schaffende Hand des Menschen kommt ihr zu 
Hülfe und befördert durch verschiedene Vorrichtungen die Ablagerung jener 
WMassen, bis das Watt sich so weit erhöht hat, daß es auch zur Zeit der Flut 
über den Meeresspiegel hervorragt, sich begrünt und durch Deichbauten in 
Köge verwandelt werden kann. 
160. Bewohner des Meeres. 
1. Die Häringe sind kleine Meerfische mit vielen feinen Gräten. Sie bilden für 
die Küstenländer der Nordsee und des westlich angrenzenden Meeres eine wahre Quelle des 
Wohlstandes. Es sind Wanderfische, deren eigentlicher Aufenthallsort immer noch nicht 
ermittelt ist. Das Wahrscheinlichste ist, daß sie auf dem Boden der See die längste Zeit 
ubriugen und dann, wenn sie vollwüchsig sind zu gewissen unn in unsäglichen Mengen 
ziehen. Mit dem April schon zeigen sich in sedem Jahre die erfien Häringe; reich⸗ 
licher aber im Mai und Juni, um welche Zeit sie in solchen Massen an den Küsten 
erscheinen, daß sie mit Krügen geschöpft werden lönnen. Sie wandern da in Massen von 
56 Meilen Lange und 304 Meilen Breite Ihre Menge erfullt so zu sagen den Ocean. 
So wie sie sich au die Oberfläche erheben, gewähren sie einen prächtigen Aublick. Ihre 
Bewegungen verursachen ein Geräusch wie das Platschern eines Regens. In der Nacht 
scheinen zu leuchten. Ihre Feinde, Seevögel, Robben, Delphing und Walfische zeigen 
ihre Ankunft an, sowie ihnen auch eut bliger Geruch vorausgehen Modann find schon alle 
Vorbereitungen zu ihrem Fange getroffen, und Tausende von Menschen sinden daburch ẽ— 
werb. Die meisten werden in Netzen gefangen, die man zwischen engen Buchten ausspannt. 
Der Hauptfang dauert von Johannis bis Jakobi, denn im AÄugust verschwinden die Häringe 
wieder. Da der gefangene n stirbt, sobald er aus dem Wasser ist, so wird er von 
den Fischern gleih an Ort und Stelle noch an die Kaufleute veräußert Viefe lassen ihn 
sofort au den Fischerplätzen einsalzen oder räuchern und in Tonnen verpacken. Die hollan⸗ 
dischen Häringe sind die geschätztesten. Der Haͤring ist eine sehr gesunde Speise, ja, man 
hat ihn sogar schon als benutzt. Gute frische Hãringe sind an ihremt mürben 
weißen Fleische lennbar; ist dasselbe röthlich, so sind die Fische alt und der Gesundhei 
nicht uträglich. Diejenigen, welche geräuchert sind, nennt man Bucklinge. 
2 den Watten finden sich weit ausgedehnte Muschelhaufen, die den schlüpfrigen 
Boden bedecken und zur Zeit der Ebbe vom Wasser entblößt d Das sind die 
Muschelbänke, die theils aus großen, blauen Miesmuscheln, theils aus leinen weißen Herz⸗ 
muscheln bestehen. Die ersteren dieuen nicht bloß den Seevögel · Schwärmen zur Nah i 
sondern bieten auch den Bewohnern der Küsten und Inseln eine gesunde und nen 
Speise; letztere werden nur der Schalen wegen gesammelt, die in Schiffen ver ben nach 
Huͤsum gebracht und in den Kalköfen zu Muschelkalk gebrannt werden. 
Die wichtigsten unter allen Muschelarten der Westkliste sind die Austern, 
die auf dem Grunde der Wattenströme oder in andern Tiefen an der Küste des Landes 
ganze Felder oder Bänke bilden, wo sie auf und neben einander legenn Es giebt im Gan— 
zen 51 Austernbänke zwischen Fauh und Eiderstedt; 26 hei Fanb, Roͤm und Silt, ind B 
bei Föhr, Amrum und den Halligen. Da die Austernbänfe auf dem Grunde der Tiefe 
ruhen, können die Austern nicht e r3 werden wie die leinern Muscheln auf den 
Watten sondern mülssen aus dem Wasser heraufgefischt werden. Dies ist das Gesht da 
Austernfischer, nicht der rothbeinigen und rothschnäbeligen Vögel, die so genannm berden 
e vlelmehr der Männer, die nach ihrem n Austernfischer 38 Elff Boote 
on Silt und zwölf von Amrum, jedes mit zwei oder drei Fischern bemannt, sind in den
	        
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